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Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Mitwisser des Olympic -Betrugs belastet hatte. Auf diesem Geständnis hatte die Staatsanwaltschaft aber ihre Klage gegen Fängele aufgebaut.«
    »Weber?«
    »Ja, Weber. Und hier heißt es nun, Weber habe Stenzel un ter Druck gesetzt und das Geständnis erzwungen. Es ist die Rede von Drohungen, Stenzels Frau wegen Beihilfe, zumindest als Mitwisserin anzuklagen. Stenzel habe sich auch körperlich bedroht gefühlt. Der Spiegel beruft sich auf Informationen aus Polizeikreisen in Stuttgart.« Becker stutzte. Die Strähne fiel ihr in die Stirn. »Da schau her, da haben wir ja auch den Na men Christoph Weininger!«
    »Wie?«
    Beckers und meine Hände gerieten sich kurz ins Gehege, als sie mir die Mappe zudrehte, nach der ich gleichzeitig lang te. Sie tippte mit kaltem Knochenfinger auf den Schluss des Spiegel -Artikels im Packen Weber. »So weit habe ich gestern nicht mehr gelesen.«
    Ich las: »Dass die Strafversetzung von Oberkommissar Christoph Weininger vom Elitedezernat Wirtschaft ins Dezer nat Gewaltverbrechen im Zusammenhang mit diesen Vorfällen steht, wollte der Polizeisprecher weder bestätigen noch de mentieren.«
    »Eieiei!« Darum also hatte Polizeisprecher Käfer die Sache zur Chefsache gemacht und so gezögert, als er den Namen Weiningers nennen sollte. Darum hatte Pit bei dem Toten im Schlachthof sofort an Fängele gedacht. Schiller war einfach das falsche Opfer angesichts des Karrieredramas, das sich da vor vier Jahren abgespielt hatte. Nur, was wollten die jetzt alle im Schlachthof?
    Das Porträt von Weber mit dem asymmetrischen Siegerblick fiel mir in der Mappe erneut in die Augen. Ich blätterte weiter. Ganz unten im Stapel lag ein Artikel aus der Bildzeitung, uralt, aus dem Jahre 1977. Eine Referendarin der Staats anwaltschaft namens Rosanna Weber hatte mit einem Por sche, der nicht ihr eigener war, unter Alkoholeinfluss einen Unfall gebaut und Fahrerflucht begangen. Das jedenfalls wollte der Reporter herausgefunden haben, der nun vermute te, dass die Geschichte vertuscht werden sollte. Das Foto zeigte eine mit Weichzeichner geschönte junge Frau mit hagerem, zwar hübschem, aber ungemein disharmonischem Gesicht.
    »Weber ist ja ein häufiger Name«, sagte Becker versonnen. »Aber finden Sie nicht, dass die beiden sich irgendwie ähnlich sehen?« Die Archivarin bekam diesen Kinderwagenblick, mit dem man beim Anblick eines Säuglings ›Ganz der Vater!‹ ausruft. »Was wohl aus der Schwester geworden ist?«
    Ich sehnte mich nach einer Zigarette. »Ein bisschen was über Bodybuilding bräuchte ich dann auch noch. Und über Fitness und so.«
    Becker reagierte nachsichtig. »Ich stelle Ihnen was zusammen und schicke es im Lauf des Nachmittags rauf.«
    »Frau Becker, ich liebe Sie!«
    Der Satz war gewagt. Becker lächelte halbbitter.
    Mit einer stattlichen Ausbeute an kopierwarmen Artikeln stieg ich in die Gegenwart der Redaktion hinauf, fuhr den Computer hoch und rodelte auf den Stichworten »Body«, »Doping« und »Muskelaufbau« durchs Internet. Dann kam die Nachricht, dass eine Straßenbahn ungebremst die Weinsteige hinabgerast, in der Hohenheimer Straße aus den Schienen gesprungen und in einem Wartehäuschen stecken geblieben war, und ich begab mich zum Lokaltermin.

8
     
    Fängele seufzte. »Kommen Sie in mein Büro. Eine unselige Geschichte ist das.«
    Gertrud schaute uns besorgt hinterher. Die Temperatur ih res »Guten Abend« war bereits um zehn Grad gesunken, als sie mich und meine Sporttasche hatte hereinkommen sehen. Fän gele ließ sich hinter den Schreibtisch in den Sessel fallen. Die Tischplatte hockte ihm auf dem Schoß wie ein Tablett bestückt mit Computerbildschirm, Tastatur, Bleistiftköcher und Telefon.
    »Soll ich schreiben, dass es Mord war oder ein Unfall?«, erkundigte ich mich.
    Das Elefantenbaby ächzte. »Ein Unfall wäre unter Sicherheitsaspekten fatal. Aber Mord? Wir sind doch hier alle wie eine große Familie.«
    »Nirgendwo wird so viel gemordet wie in Familien. Zum Beispiel hat Katrin Schiller vor gut einem Jahr ihren Mann mit einer Hantel zusammengeschlagen. Wussten Sie das?«
    »Nun lassen Sie uns doch erst mal ein bisschen Zeit, zur Besinnung zu kommen. Können Sie sich denn nicht vorstel len, dass wir wie gelähmt sind vor Erschütterung und Entsetzen? Was sagen Sie? Katrin hat ihren Mann erschlagen?«
    »Zusammengeschlagen, vor einem guten Jahr.«
    »Ach, warum denn?«
    »Weil die Ehe im Eimer ist, Herr Fängele. Vermutlich hat te Schiller mindestens eine

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