Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
ihm.
    »Ich habe immerhin vierzig Minuten gewartet!«
    »Oh, dann müssen wir uns knapp verpasst haben.«
    Weber lehnte sich zurück und musterte mich mit einer Miene zwischen Ärger, Enttäuschung und Verwunderung. Immerhin hatte er auf dem Parkplatz mit der Absicht gewartet, mir bei einem Glas Wein etwas zu erklären – entspannt und siegessicher nach dem Training –, was er mir heute schon nicht mehr erklären wollte, jedenfalls nicht ohne sich vorher wieder in eine Position von Siegessicherheit hineingeredet zu haben. Männer waren in dieser Beziehung sehr leicht zu durchschauen.
    »Nun gut«, sagte er grätig, »wenn Sie mir nicht sagen wollen, warum Sie nicht erschienen sind, dann muss ich das zur Kenntnis nehmen. Aber dessen ungeachtet sehe ich mich veranlasst, Sie mit einem Sachverhalt zu konfrontieren: Kommissar Weininger hat auf den Haltegabeln der Drückbank, auf der Schiller gestorben ist, Ihre Fingerabdrücke identifiziert.«
    »Und wie das? Ich kann mich nicht erinnern, erkennungsdienstlich behandelt worden zu sein.«
    »Weininger ist nach der missglückten Einvernahme am Mittwoch den kurzen Dienstweg gegangen und hat die Kaffeetassen unter die Lupe genommen. Aber er wird sich Ihre Abdrücke sicherlich demnächst offiziell holen.«
    »Dann wird es eine böse Überraschung geben«, sagte ich. »Denn ich habe die neue Drückbank definitiv nicht angefasst. Weininger muss sich in den Kaffeetassen geirrt haben.«
    Webers Blick bohrte sich plötzlich durch mich hindurch und verlor sich im Licht der Unendlichkeit, dort, wo sich die parallelen Geraden schneiden.
    Einen Satz unidentifizierter Fingerabdrücke auf der Drückbank hatte er mir bei unserem ersten Gespräch in seinem Büro am Dienstag nicht nur vorenthalten, er hatte sogar ausdrücklich bestritten, dass andere als Schillers Abdrücke auf der Bank gewesen waren.
    »Vielleicht war es ja Keitle«, schlug ich vor. »Und warum erzählen Sie mir das überhaupt?«
    Weber kehrte in die Geometrie seiner Amtsstube zurück und fokussierte seinen asymmetrischen Blick auf mich. »Lisa, ich stelle heute die Fragen!«
    »Oje! Sind es etwa Ihre Abdrücke auf den Haltegabeln der Drückbank? Aber keine Angst, Richard, Weininger wird es sicherlich nicht wagen, Sie erkennungsdienstlich zu behandeln. Allerdings frage ich mich, wie Ihre Abdrücke auf die Drückbank geraten sind. Haben Sie mir da eventuell etwas verschwiegen, Herr Staatsanwalt?«
    Weber zog die Brauen hoch. »Meine liebe Frau Nerz, ich verstehe ja, dass es Ihnen gefallen würde, einen Staatsanwalt eines Tötungsdelikts zu überführen. Aber so funktioniert das nicht. Ich werde hier und jetzt nicht mit Ihnen meine persönlichen Angelegenheiten erörtern. Dazu hätten Sie gestern Abend die Chance gehabt.«
    »Ich war leider verhindert.«
    »Ich weiß. Gertrud ist zu mir auf den Parkplatz gekommen und hat Sie entschuldigt.«
    »Ach!« Ich überlegte, ob ich Weber mein erbärmliches Abenteuer gestehen sollte, verwarf die Idee aber. »Wissen Sie eigentlich, dass im Schlachthof ein reger Handel mit Schlankheitsmitteln im Gange ist oder war? Sally ist überzeugt, dass Anette an dem Mittel gestorben ist.«
    »Anette Kaufmann ist an einer bakteriellen Infektion gestorben«, antwortete Weber. »Ein Zusammenhang mit diesen Schlankheitsmitteln ist zunächst nicht nachweisbar.«
    Himmel, was für ein Juristendeutsch! »Habe ich Sie richtig verstanden? Man weiß, dass Schiller mit diesem Zeug gehandelt hat?«
    »Soviel mir bekannt ist«, drechselte Weber weiter, »wurde im Zuge der Ermittlungen im Fall von Anette Kaufmann das Mittel Adipoclear analysiert. Es ist in Deutschland nicht zugelassen, wegen der Menge Noradrenalin, das es enthält. Außerdem ist der Wirkstoff Phosphatidylcholin eigentlich zur Behandlung von Cholesterinstörungen gedacht, nicht zum Abnehmen.«
    »Und seit wann wussten die Ermittlungsbehörden von Schillers illegalem Handel mit Arzneimitteln?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Ich bin von der Presse, Herr Oberstaatsanwalt. Sie müs sen es mir sagen!«
    Weber deutete ein Lächeln an. »Ich weiß es nicht.«
    »Fällt das nicht immerhin in Ihren Bereich? Wirtschaftsstrafsachen?«
    »Nein, es fällt in den Bereich des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. Außerdem ist ein Oberstaatsanwalt mehr für organisatorische Fragen zuständig, wie Sie sicherlich wissen.«
    »Ah, deshalb bestellen Sie mich zu sich ein, um höchstpersönlich eine Zeugeneinvernahme zu machen, ja?«
    »Keineswegs.

Weitere Kostenlose Bücher