Gaisburger Schlachthof
Ozon mit den schwarzen Glubschaugen hinein. »Das glaubt doch niemand, dass ich mich in deinem Büro auf die Sonnenbank lege und mir dabei auch noch die Hände fessle! Und dass ich gefesselt war, wird man auch dann an der Leiche noch feststellen, wenn du die Fesseln wieder abnimmst! Außerdem wartet jemand auf mich. Er wird …« Ich biss mir auf die Zunge. Was schwatzte ich da?
»Jetzt hast du aber Angst, gell?«
»Glaubst du denn, es hilft Horst, wenn du mich röstest?«
Ein böses helles Schweigen blendete mich. Ich musste die gemarterten Augen schließen. Ohnehin war Gegenwehr sinnlos. Geh du nur!, dachte ich. Aber bald, ehe sich mir die Haut vom Rücken schält.
Ich hörte das kleine Klirren vom Zuschrauben des Ölfläschchens und den resoluten Ruck einer Schreibtischschublade. »Dann gehab dich wohl«, sagte die Turnlehrerin. Bald darauf fiel eine Tür ins Schloss.
Ozonhaltige Stille übernahm. Das Licht machte blind.
Eigentlich hätte Richard Weber auf dem Parkplatz langsam ungeduldig werden müssen. Er hatte mir doch gerade erst vorhin seine Sorge offenbart, ich könnte hier im Schlachthof zu Tode kommen. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt gewesen!
Ich erblinzelte ein weißes Klebeband von der Sorte, mit dem Sportler ihre instabilen oder verletzten Gelenke zu tapen pflegten. Es war ungemein zugfest, aber man benötigte keine Schere, man konnte die Streifen mit den Fingern von der Rol le abreißen. Wenn ich Hand und Finger sehr verrenkte, kam ich gerade eben mit den Fingerkuppen ans Klebeband am Handgelenk. So würde ich mich jedenfalls nicht selbst befreien können!
Wie konnte Gertrud nur so bescheuert sein, mit diesem offensichtlichen Mordversuch ihre Existenz aufs Spiel zu setzen? Genug, sie konnte. Ich musste jetzt nicht den Amoklauf einer Turnlehrerin ergründen, die, um den Körper ihres sanf ten Athleten beraubt und von mir körperlich gedemütigt, Ra che nahm, unbekümmert um alle Folgen. Ich musste aus dem Grill hinaus. Hilfe, aber wie? Dass sich Panik in mir ausbreitete, war noch gelinde ausgedrückt. Die süßen Verführungskünste des Todes waren noch zu weit weg.
Wenn ich den Kopf hob, sah ich an der oberen Kante des Tischs die Knöpfe, mit denen ich den Grill hätte ausstellen können. Unerreichbar.
Verdammt, der Tag hatte so sonnig begonnen! Mussten er und ich so enden? Was musste Gertrud Horst geliebt haben! Fängele, dieser arme Narr von Elefantenbaby.
Ich riss an meinen Klebebandfesseln. Der ganze Tisch schwankte. Mein Herz trommelte Hoffnung den Hals hinauf bis in den Gaumen. Ich riss noch einmal. Der Tisch wackelte noch einmal. Wie fest stand er eigentlich?
Glücklicherweise hatte Gertrud es versäumt, auch meine Füße zu fesseln. Das wäre ihr allerdings auch schwergefallen, denn ich hätte immer noch austreten können wie ein Pferd. Ich schob meine geölten Beine vom Tisch, fühlte kalten Boden unter den Fußsohlen und riss erneut. Der Tisch schwankte mir entgegen. Der UV-Grill klapperte. Die Helligkeit bekam einen kurzen Knacks. Das würde gehen. Ich musste nur aufpassen, dass ich mit den Beinen nicht unter den kippenden Tisch geriet, seinen Aufprall abbremste und mich in eine noch hilflosere Lage brachte. Er musste auf den Steinboden krachen. Ich brauchte Schwung und Trümmer.
Ich riss und zog, der Tisch neigte sich, plötzlich übernahm das Gewicht des Strahlers die Oberhand, die Anlage kippte. Ich ließ mich auf die Knie fallen. Au! Der eine Pfosten knallte auf den Boden und mit ihm die Knöchel meiner linken Hand, die UV-Röhren schepperten. Im nächsten Moment war es stockfinster.
Immerhin!
Erschöpft lehnte ich mich gegen die Tischfläche und spürte kalten Stein unter meinen nackten Pobacken. Wenigstens würde ich nicht verbrennen. Nach einer Weile hörte ich Glas knirschen. Ein Zeichen, dass ich mich wieder bewegte. Außerdem registrierte ich die Verrenkung, zu der mich die eine Hand unten am Pfosten und die andere am oberen zwangen. In meinen Fingerknöcheln unten begann Schmerz zu pochen.
So würde ich es aushalten müssen, möglicherweise stundenlang, eine ganze Nacht hindurch. Aber was würde Gertrud tun, wenn sie mich morgen früh so fand, nicht verkohlt, sondern lebend? Vielleicht kam sie auch schon vor Mitternacht zurück. Und dann? Wenn sie meinen Tod wollte, dann sollte sie mich nicht mehr finden.
Panik wallte in mir auf. Todesangst. Ich riss und zerrte an den Fesseln. Idiotisch!
Aber ich kam mit den Zähnen ans Handgelenk! In völliger Finsternis
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