Gaisburger Schlachthof
mitgeteilt.
»Außerdem«, fuhr Richard fort, »hat er nach seinem Prozess drei Jahre in Japan gelebt. Dann kam er zurück, heiratete Gertrud und gründete den Schlachthof.«
»Und das fällt dir erst jetzt ein?«
»Es war bisher nicht relevant.«
»Es hätte dir spätestens dann einfallen müssen, als wir auf das japanische Forscherteam und Dr. Ogus Schlankheitsmittel stießen, das auch im Schlachthof verkauft wurde.«
Richards Lippen tendierten zu einem Lächeln. Es war ihm eingefallen, als er meine Idee von Schillers Angst vor der Presse als unlogisch beiseitefegte, aber er hatte weder mir noch sich selbst vertraut. Zu sehr wünschte er Fängele endlich hinter Gitter, als dass er an die objektive Möglichkeit zu glauben gewagt hätte, dass Fängele unter seinen, eines Staatsanwalts, Augen einen Handel mit tödlichen Schlankheitsmitteln aufgemacht hatte.
Jetzt versuchte Richard, über seinen Kleinmut zu lächeln, aber der Versuch misslang, denn: »Alles schön und gut. Wir wissen zwar, dass Fängele an der Entwicklung des Impfstoffs beteiligt war. Wir können auch vermuten, dass er einen Stamm des Llullaillaco-Erregers mit nach Deutschland brach te, als im Team Streit über die Erfinderrechte ausbrach. Wir können ihn sogar verdächtigen, dass er entweder zusammen mit Dr. Ogu oder alleine aus dem Erreger ein Schlankheitsmittel entwickelte, das er kommerziell zu verwerten gedachte. Aber das sind alles nur Spekulationen.«
»Aber man könnte die Ermittlungsbehörden in der Schweiz veranlassen, Dr. Ogu festzunehmen und seine Labors und Produktionsstätten zu durchsuchen.«
Richard schlitzte die Augen und suchte die blaue Stunde jenseits der Fenster. Das geschäftige Geklapper des Großraumbüros um uns herum versank in Grübelei.
»Dann ist nicht Schiller, sondern letztlich Fängele für den Tod Anettes verantwortlich«, überlegte ich. »Kann sein, dass Schiller sie zuerst mit dem gefährlichen Typ von Adipoclear versorgte. Doch dann machte Anette Schluss mit ihm, und Schiller strafte sie mit Entzug des wirkungsvollen Mittels. Doch Anette nahm weiter ab. Daraus schloss Schiller, dass Anette Adipoclear weiter bezog, und zwar die geimpfte Variante von Fängele. Er stellte Fängele zur Rede, entweder weil er um Anette besorgt war oder weil er am Geschäft beteiligt werden wollte. Und Fängele steckte in einem Dilemma. Ei nerseits wollte ein Erpresser Geld von ihm, andererseits muss te der Stoff dringend aus dem Verkehr gezogen und überarbeitet werden. Und da ich ihm zu sehr auf die Pelle gerückt bin mit meiner journalistischen Neugierde, hat er mir Horst auf den Hals gehetzt.«
»Falsch!«, antwortete Richard mit seinem unverschämt logischen Blick, der mir sagte, dass er etwas wusste, was ich nicht wusste. »Am Funkhaus, das ging nicht gegen dich, Lisa. Auch nicht gegen Sally. Es ging gegen Horst.«
»Wie bitte!«
»Horst hat sich den Hals doch nicht gebrochen, weil du ihm den Fuß weggefegt hast. Damit hast du ihm bloß die Nase gebrochen. Die ärztlichen Gutachten sind sich einig, dass ein Sturz aufs Gesicht nicht zu einer Torsion der Halswirbel führen kann. Ihm muss nachträglich jemand den Hals umgedreht haben.«
Ich schluckte.
Richards Augen schmolzen. »Sag bloß, du hast die ganze Zeit geglaubt, du seist schuld an Horsts Elend! Aber, Lisa! Weininger hat doch schon bei deiner Einvernahme am Donnerstag klargemacht, dass Horsts Verletzungen für einen einmaligen Verteidigungsschlag zu schwer waren. Darum hat er dir doch eine Tötungsabsicht unterstellt.«
Ich suchte nach dem Gefühl der Erleichterung, aber es wurde überlagert von Entsetzen. Immer hatte ich das Gefühl gehabt, die Situation missverstanden zu haben. Meine eigene Egozentrik hatte mich verführt, die alleinige Verantwortung zu übernehmen. Aber tatsächlich war das Monstrum zurückgekehrt, nachdem Sally und ich geflohen waren – meine Schuld! –, um Horst den Garaus zu machen. Und dieses Monstrum aus Babyölweichspüler und Gewalt war Fängele gewesen? Wirklich? Ein Mann, der no sports in sein Drei fachkinn graviert hatte? Wie ging das? »Aber warum Horst?«
»Darüber kann man nur spekulieren«, antwortete Richard.
»Dann fragen wir doch Fängele.«
»Dafür haben wir keinerlei Legitimation.«
Mir juckte ein frivoles »Feigling!« in der Gurgel, aber Ri chard hatte sich in diesem Fall in der Tat schon viel zu sehr exponiert. Ein Schritt weiter, und er brach sich das Genick.
»Immerhin«, überlegte ich, »hast du doch noch
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