GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
Jeremia immer wieder nach hinten um, wo ich stand. Er hätte mich nicht sehen können, denn keiner dieser Menschen in meinen Träumen konnte mich sehen. Das ist mir direkt in meinem ersten Traum aufgefallen, als ich in der Stadt umherirrte und versuchte, die Bewohner auf mich aufmerksam zu machen, jedoch nahm keiner von mir Notiz. Ich schrie sie an, kam ihnen ganz nah und konnte sogar durch sie hindurchgehen. Sie bemerkten weder etwas noch spürten sie mich.
Dieser Jeremia hatte aber etwas bemerkt. Ich blickte mich um, doch ich sah niemand hinter mir in dieser kleinen Gasse. Wie konnte er meine Anwesenheit spüren? Er musste sich irren. Leider konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen, dafür spendeten die Laternen zu wenig Licht.
Die Krieger schlenderten weiter und ich folgte. Ich wollte seine Mimik sehen. Ich wollte wissen, warum er mich fühlen konnte. Oder war es nur Einbildung seinerseits gewesen? Sie redeten und lachten, zwischendurch blickte Jeremia immer wieder zurück.
Dann blieben sie vor einer Taverne stehen. Einer von ihnen öffnete die Tür und sie traten ein. Ich blieb draußen und lugte durchs Fenster ins Innere. Im Schankraum hielten sich viele Männer auf, die gequetscht an kleinen, runden Holztischen saßen. Einige von ihnen unterhielten sich am Tresen mit leicht bekleideten Frauen. Dahinter stand ein dicker, glatzköpfiger Mann, der die Getränke ausschenkte. Der Wirt, mutmaßte ich. Jeremia und seine Freunde setzten sich an einem freien Tisch in der hintersten Ecke.
Während ich dastand und sie beobachtete, ging nochmals die Tür auf und einige Betrunkene kamen heraus, die sich schwankend den Weg nach Hause bahnten, sowie ein verliebtes Pärchen, das in einer dunklen Gasse verschwand.
„Isma? Liebes", rief meine Mutter aus der Küche, „Ich brauche deine Hilfe."
Unsanft wurde ich aus meinen Erinnerungen gerissen.
Wie ich es hasste, wenn sie mich Isma nannte. Schon als kleines Mädchen gaben mir meine Eltern und Brüder diesen Kosenamen, den ich nicht mehr loswurde.
„Ich komme sofort, Mutter!" Ich versteckte mein Tagebuch unter meinen Kopfkissen und rannte in die Küche. Ich fühlte mich noch ganz benommen, weil meine Gedanken noch in der Gasse bei der Unterhaltung der Männer hingen.
Krieg. Unheil. Welch schreckliche Worte!
„Kleine, reich mir doch bitte mal die Kartoffeln! ", spottete mein ältester Bruder Brasne schelmisch. Er lachte und streckte mir die Zunge raus. Er wusste, dass ich es nicht mochte, wenn man mich „Kleine" nannte.
Als jüngste Schwester von sechs älteren Brüdern war es für mich nicht leicht, mich durchzusetzen. Bevor ich Brasne die Kartoffeln reichte, bekam er von mir einen sanften Tritt gegen sein Schienbein. Das war die Strafe für seine Hänseleien. Trotzdem mochte ich Brasne am liebsten, denn er schaffte es immer, mich zum Lachen zu bringen. Ich schenkte ihm das süßeste Lächeln, das ich zustande brachte. Er zwinkerte zurück.
Ein knappes Jahr nach Brasne wurde mein Bruder Aaron geboren. Er war der Ruhigste von allen. Er ähnelte sehr meinem Großvater, dessen Namen er trug. Aaron war so wissbegierig wie ich, das hatte ich meinem Bruder gleich. An ihn konnte ich mich wenden, wenn ich Fragen hatte.
Zwei Jahre nach Aaron kamen die Zwillinge zur Welt. Ther-an und Talon. Meine Mutter hatte es mit den Zweien nicht immer leicht gehabt. Schon als Kinder heckten sie Streiche aus und waren kaum zu bändigen. Als sie älter wurden, kamen sie endlich zur Ruhe, waren stets die Begleiter meines Vaters und halfen ihm, unser Land zu bewirtschaften.
Danach folgte Jazem. Er war der Schönling in der Familie. Die Mädchen in den Dörfern liefen ihm reihenweise hinterher, wenn er für meinen Vater die geschäftlichen Angelegenheiten in den Orten erledigte. Nicht nur in Salin, sondern auch anderswo. Außer Brasne hatten meine anderen Brüder noch nicht die Richtige gefunden.
Der Zweitjüngste war Casper. Casper war das Sorgenkind meiner Eltern. Er lebte sehr zurückgezogen und selten kam ein Wort über seine Lippen. Er war etwas schmächtig und für die Landarbeit nicht geeignet. In der Regel half er meiner Mutter im Haushalt.
Meine Mutter Kella hatte die Hoffnung schon aufgegeben, jemals ein Mädchen zu gebären. Dann kam ich!
Sofort nach meiner Geburt war ich für alle der kleine Sonnenschein, die „kleine Isma". Jeder von ihnen achtete auf mich, damit mir auch ja nichts passieren konnte. So wuchs ich sorgsam behütet auf. Als Kind war es sehr angenehm,
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