GALAN - Die Seelenwanderin (GALAN-Saga) (German Edition)
bisheriges Leben, ihre Frauen und Kinder. Wie sollte er es ihnen erklären, dass sie vielleicht nie wieder zurückkommen würden? Der Anschlag auf Trianda hatte ihn schwer getroffen. Seine Hoffnung, die Capitaner zu stoppen, schwand allmählich dahin. Er war nun hier, um die Männer in den Tod zu führen. Übelkeit stieg in ihm auf. Was konnte er sagen? Wie sollte er es sagen? Es gab nichts, was er hätte sagen können, damit es für die Leute einfacher werden würde.
Fisius übergab ihm das Wort. Er suchte verzweifelt tröstende Worte in seinen Gedanken, fand sie aber nicht. Er entschied sich, es schnell hinter sich zu bringen. Als er sprach, tat er dies schnell und gefühllos. Er konnte niemanden ins Gesicht sehen. Zu Ende gesprochen, machte er zwei Schritte zurück und stellte sich neben Gerrit. Warum nur hatte er darauf bestanden, hierher zu reisen? Am liebsten hätte er alles rausgeschrien, seinen ganzen Frust, seine verzweifelte Wut.
Er schaute suchend in die Menge.
Das Gefühl, das er manchmal hatte, wie in der gestrigen Nacht am Lagerfeuer. Ein Gefühl von Geborgenheit, von Liebe. Er dachte, es hier in Kanas finden zu können. Wie konnte er denn wissen, was Liebe war? Er hatte nie jemand wirklich geliebt, außer natürlich seine Familie und sein Volk. Er sehnte sich schon lange nach einer Frau, die er wirklich lieben konnte. In diesem Moment brauchte er Liebe, Liebe die er niemals kennen lernen würde, da ihm bald die Vermählung mit Narissa bevorstand. Narissa hatte darauf gedrängt, so schnell wie möglich zu heiraten. Der Krieg war ihr egal, ihr Volk war ihr egal. Sie wollte nur ihn, um als Herrschergemahlin zu glänzen und für diese Rücksichtslosigkeit verabscheute er sie aus tiefstem Herzen.
Plötzlich, ganz unerwartet überfiel ihn ein heftiger Schauder, der ihm wie ein Eiswürfel über den Rücken lief. Da war es wieder, diese Gegenwart, die nur er bemerkte. Er schaute nochmals in die Menge und fragte sich gleichzeitig, nach was er eigentlich Ausschau hielt? Aber es war wieder da, das Gefühl von Sicherheit. So unerwartet die Anspannung von ihm Besitz ergriffen hatte, so plötzlich ließ sie von ihm ab. Sein ganzer Körper beruhigte sich. Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht. Er dachte, es hätte ihn verlassen, aber da war es wieder. Er fasste neuen Mut und besann sich auf seine bevorstehenden Aufgaben. Die ersten Männer verließen bereits das Podest. Ihn überkam plötzlich Zweifel, ob die Worte, die er zu den Menschen gesprochen hatte, nicht vielleicht zu hart gewesen waren. Nein, sie waren mehr als hart gewesen, das wusste er.
Er wandte sich an Herrscher Fisius und teilte ihm mit, dass er noch hier bleiben wolle, um die Männer kennen zu lernen. Er würde helfen, ihnen ihre Waffen und Kleidung auszugeben. Gerrit sollte ihn nicht begleiten. Fisius und Gerrit akzeptierten seine Bitte und stolzierten weiter zu den Pferden. Kurze Zeit später ritten sie davon.
Er schritt durch die Massen und steuerte die erste Hütte an, in der immer mehr Freiwillige sich gerade registrieren ließen. In der Hütte stand ein langer alter Holztisch. Auf einer Seite des Tisches wurden Waffen und Uniformen ausgegeben, auf der anderen fand das Aufnahmeritual statt. Er wies einen Krieger an, aufzustehen, weil er nun das Prozedere übernehmen wollte. Der Krieger stand auf, so wie ihm befohlen wurde. Jeremia schüttelte jedem Einzelnen der Freiwilligen die Hand und begrüßte sie. Er versprach ihnen, dass sie in den drei Tagen, die sie noch hier waren, abends nach den Kampfübungen zu ihren Familie gehen konnten.
Er hätte auch gerne jemanden gehabt, zu dem er gehen könnte, der ihn liebte, aber heute Abend würde er sich einfach auf sein Zimmer begeben und versuchen, ein wenig zur Ruhe zu kommen. Er fühlte sich leer. Die vergangenen Tage waren sehr strapaziös und sie würden anstrengender werden, viel belastender.
Was war geschehen?
Plötzlich fand ich mich auf dem Podest wieder. Ich stand genau hinter Jeremia. Ich versuchte mich zu erinnern, was geschehen war, denn eben noch befand ich mich bei meiner Familie am Rande des Marktplatzes. Ich erkannte die Umgebung und dann fiel es mir wieder ein. Ich war zusammengebrochen und meine Seele hatte meinen Körper verlassen. Somit stand ich nun hier. Eigentlich wollte ich das aber nicht, denn Jeremias Auftritt hatte mich enttäuscht. Ich dachte bisher, er wäre liebenswert, freundlich und hilfsbereit. So als kalten Kriegsherrn hatte ich ihn vorher noch nicht
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