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Galaxis Science Fiction Bd. 06

Galaxis Science Fiction Bd. 06

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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Wissenschaften, die Technik und Verwaltung. Ich selbst besaß gute Hände – ich wurde Chirurg. Und obzwar ich kein einziges Mal ohne einen Ratio-Assistenten operierte, wurde ich sogar ein sehr bekannter Chirurg.
    Und darum sage ich auch, daß unsere Welt eine gute Welt gewesen war. Die Ratios und die Rejekts ergänzten sich gegenseitig, und erst beide machten unsere Zivilisation zu einer Ganzheit. Und noch eine andere Sache hatten die Rejekts den Ratios voraus. Sie waren weniger verstandesgebunden, weniger logisch und kalt wirkten deshalb auf Frauen viel anziehender als die Ratios. Die Rejektfrauen hatten ebensolchen Erfolg bei den Männern.
    Aber letzten Endes besaßen die Ratios doch alles, was wirklich zählte.
    Es gab also nur einige wenige bestimmte Berufe, denen ein Rejekt nachgehen konnte. Aber Wainer paßte keiner davon ganz. Er versuchte sich zu der einen oder anderen Zeit in allen Künsten. Schließlich wandte er sich dann endgültig der Musik zu. In der Musik fand er etwas Unermeßliches, Elementares – etwas, das er nach seinem Willen formen und womit er bauen konnte. Trotzdem komponierte er nur sehr wenig. In jenen ersten Jahren konnte man ihn fast immer draußen am Sund finden oder auf den Klippen am Fluß. Seine riesigen Hände waren zu Fäusten geballt, die sich öffneten und schlossen und vergebens nach etwas tasteten, das er tun konnte. Und er zermarterte sich den Kopf und fragte und fragte sich immer wieder, warum er ein Rejekt war, und haderte mit seinem Schicksal.
    DAS erste größere Werk, das er schrieb, war die Pavanne. Das war nach seiner ersten großen Liebe. Ich kann mich nicht mehr an das Mädchen erinnern, aber in nochmals tausend Jahren würde ich die Musik nie vergessen. Erstaunlicherweise war die Pavanne sogar ein kommerzieller Erfolg. Auch Wainer war davon überrascht. Das Publikum wurde hauptsächlich von den Ratios gestellt, und ihr Geschmack und ihre Vorliebe galt streng logisch konstruierten Stücken. Sie liebten Bach und Mozart, einige auch noch Beethoven und Greene, aber alles Gefühlvolle und Dunkle lehnten sie ab. Die Pavanne war vielleicht ein Erfolg, weil sie die Liebe beschrieb – so wunderbar warm und fröhlich und offen. Wainer konnte auch diesen Erfolg niemals wiederholen.
    Das war eine der wenigen Zeiten, wo ich ihn mit Geld sah. Er bekam das übliche Regierungshonorar und außerdem eine ansehnliche Summe an Tantiemen. Aber für eine Fahrt in den Raum reichte es doch nicht ganz, und so vertrank er alles. Eine Zeitlang war er glücklich: Er besuchte uns wieder in den Klubs und vernachlässigte seine Streifzüge am Strand. Als ich ihn allerdings fragte, ob er an etwas anderem arbeiten würde, antwortete er; nein, es gäbe nichts, worüber er schreiben müßte.
    Wenige Monate darauf verliebte er sich aufs neue. Diesmal in seine Mutter.
    Die Langlebenbehandlung war immer noch ziemlich neu – wenige Leute waren sich bewußt, daß, während die Söhne älter wurden, ihre Mütter immer noch so jung und zart blieben wie Schulmädchen. Und keine Frau ist einem Mann so nahe wie seine eigene Mutter. Es war unvermeidlich, daß eine Menge Männer sich auf diese Weise verliebten. Auch Wainer ereilte dieses Schicksal. Seine Mutter hegte nicht den leisesten Argwohn, aber für ihn war es eine Zeit unsäglicher Qualen. Er brauchte Monate, um darüber hinwegzukommen und um sich wieder so weit in die Hand zu bekommen, daß er darüber sprechen konnte.
    Mittlerweile war er dreißig Jahre alt geworden, und endlich begann er auch wieder zu komponieren.
    Er schrieb ein paar unbedeutendere Sachen, und dann kam die Erste Symphonie. Die Ratios verdammten sie durchwegs in Grund und Boden, die Rejekts dagegen waren sich einig, daß sie ein Meisterwerk war.
    Ich selbst – als ich sie hörte – wußte von nun an, daß Wainer ein Genie war.
    AUF Grund des hitzigen Streites, der über sein Werk entbrannt war, verdiente Wainer wieder etwas Geld. Aber die vielen negativen Kritiken in den Zeitungen entmutigten ihn auf Jahre hinaus, weitere Sachen zu schreiben. In der Ersten Symphonie verspürte man schon etwas von dem Wainer der späteren Jahre, etwas von dieser hungrigen, unfertigen, suchenden, unverständlichen Stärke. Wainer wußte außerdem, daß – wenn er jetzt irgend etwas anderes schreiben würde – es nur der ersten ähneln und nichts Neues sein würde. Er nahm seine einsamen Wanderungen am Strand wieder auf.
    Er besaß etwas, was in jenen Tagen nur noch selten angetroffen wurde –

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