Galaxis Science Fiction Bd. 11
die Schwester dem alten Mann die Decke übers Gesicht.
Ich ging. Ich fühlte mich hundeelend. Ich hatte nur von Dingen gehört, die ich schon kannte – Haß und Liebe und Furcht und Hoffnung und Verzweiflung. Irgendwo kam auch eine Anzeige vor, aber ich konnte nicht sagen, ob das schon vor Jahren oder erst kürzlich gewesen war. Und ein Name, der wie ›El Greco‹ klang. Das war ein spanischer Maler, der schon vier- oder fünfhundert Jahre tot war. Hatte der Alte sich an ein Bild erinnert, das er einmal gesehen hatte?
Nein, er war in seinen Phantasien zumindest bis in die nahe Gegenwart vorgedrungen. Die Anzeige schien das Problem, ohne Geld dazustehen, für ihn gelöst zu haben. Aber was war mit den 17 000 Dollar, die man in dem Futter seiner Jacke gefunden hatte? Natürlich, als seniler Psychopath war es nicht ausgeschlossen, daß er sich selbst mit einem solch hohen Geldbetrag als pleite betrachtete. Schließlich kam kein neues hinzu. Nein, das konnte es auch nicht sein. Die Angst, alt und ohne Arbeit zu sein, die aus seinen Worten geklungen hatte, war echt gewesen. Wenn er Geld besessen hätte, dann würde er schon Mittel und Wege gefunden haben, um damit auszukommen, und irgendwie hätte er das bestimmt erwähnt.
Da war diese Anzeige, die ihm neue Hoffnung gab, und da war dieser ›El Greco‹. Ein griechisches Restaurant vielleicht, wo er sich seine Mahlzeiten geschnorrt hatte?
Aber wie erklärten sich die 17 000 Dollar?
LOU Pape hatte von der ganzen Sache mehr als genug, um noch große Lust zu haben, sie mit mir zu diskutieren. Er blickte mich nur müde an und sagte: »Du machst dir darüber viel zu viel Kopfzerbrechen, Mark. Das waren doch alles nur Fieberphantasien. Woher soll ich in einem solchen Fall wissen, was stimmt und was nicht.«
»Aber du mußt doch zugeben, daß bei all diesen Fällen eine Menge vorhanden ist, was ganz einfach faul ist?«
»Sicher. Hast du dir schon mal den augenblicklichen Zustand der Welt angesehen? Warum sollen diese alten Leute Ausnahmen sein.«
Ich konnte ihm seine Einstellung nicht verübeln. Er hatte mich mit diesen Fällen nur vertraut gemacht, um mir einen Gefallen zu erweisen, und allein das schon hatte ihm viel Mühe gekostet. Jetzt hatte er genug. Ich glaube, es war nicht einmal nur das – er befürchtete, daß ich mich ruinieren würde, finanziell zumindest, wenn nicht noch schlimmer, wenn ich mich weiter so in dieses Problem verbiß. Er sagte, er würde sich jederzeit freuen, mich zu sehen oder mir behilflich zu sein, aber mit diesen alten Leuten sollte ich ihn in Zukunft verschonen. Er gab mir den Rat, mich mit etwas anderem zu beschäftigen, und ließ mich dann allein.
Ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht, wie er mich hätte weiter unterstützen können. Die Stellenanzeigen konnte ich schließlich genausogut allein durchlesen, was ich auch jeden Tag tat in der heimlichen Erwartung, daß vielleicht an den Worten. des Alten doch etwas dran sein könnte.
Es kostete mich mehr Zeit, als ich verantworten konnte, allen jenen nachzugehen, die sich an alte Leute wandten, und um Ende stellte sich immer wieder heraus, daß sie alle harmlos waren.
Auf eine der Anzeigen hin kam ich zu einem alten fünfstökkigen Reihenhaus in der achtzigsten Straße. Ich reihte mich in die Schlange der Wartenden ein – es waren Frauen und Männer, aber alle sahen sie heruntergekommen aus, als könnten sie Geld dringend gebrauchen – und wartete, bis ich an der Reihe war. Mein Gesicht hatte ich mit Kollodiumfalten künstlich alt gemacht, und ich hatte mir einen alten schäbigen Anzug und abgetretene Schuhe angezogen. Ich sah weder jünger noch wohlhabender aus als meine Mitbewerber.
Schließlich war ich vor der Frau angelangt, die uns interviewte. Sie saß hinter einem einfachen Büroschreibtisch, der in der Diele des Hauses stand. Ein Stapel Bewerbungskarten war vor ihr aufgehäuft, und sie hielt einen Kugelschreiber in einer schlanken und doch kräftigen Hand. Ihr Haar war rot mit goldenen Lichtern darin, und ihre Augen von solch einem blassen Blau, daß es von der gleichen Farbe wie das Weiße erschienen wäre, hätte sie auf der Bühne gestanden. Ihr Gesicht wäre ausgesprochen schön gewesen, hätte sie es nicht unter so strenger Kontrolle gehalten – sie lächelte, abrupt stellte sie das Lächeln dann sofort wieder ab und musterte mich mit der ganzen unpersönlichen Schärfe einer Röntgenkamera von Kopf bis Fuß, genauso wie sie es mit den anderen getan hatte. Aber diese
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