Galgenberg: Thriller (German Edition)
Schwanz steil aufgerichtet wie ein entrüstetes Ausrufezeichen am Ende eines vorwurfsvollen Körpers.
»Hallo, Kitty.« Clare ging in die Hocke und nahm das Tier auf den Arm.
Fritzi hielt dreißig Sekunden durch, aber der vertrauten Wärme ihres Frauchens konnte sie doch nicht widerstehen und fing zu schnurren an.
»Ich habe dich auch vermisst.« Clare vergrub das Gesicht im seidigen Fell der Katze.
Das ungeduldige Hupen des Taxis holte sie in den unendlich langen Tag zurück, der vor ihr lag.
»Warte hier, Fritzi-Maus«, sagte sie und setzte die Katze behutsam wieder ab. »Ich komme dich später holen.« Die Katze sah Clare wütend nach, als sie hinausging, dann hüpfte sie auf den Sonnenfleck auf dem Küchentisch, rollte sich zu einem dicken Komma zusammen und schlief ein.
Das Taxi setzte Clare in Sea Point ab. Erleichtert, sich an diesen Ort der Stille und gedeckten Farben zurückziehen zu können, schloss sie die Tür auf. Sie duschte und aß gerade so viel, dass sie ihre Schmerztabletten schlucken konnte.
Anschließend machte sie sich Kaffee und trank ihn schwarz – im Kühlschrank war keine Milch. Sie stellte das Handy von Vibration auf Tonsignal. Die Akkuanzeige stand auf dem letzten Balken, aber das Ladegerät lag bei Riedwaan. Eine Flut verpasster Anrufe von seiner neuen Nummer aus. Und eine SMS: Ruf an. Hab mit De Lange gesprochen. Alles okay? Bin bald da. Bakkie mit 3 Schafen!
Sie wählte seine Nummer und landete auf der Mailbox. Plötzlich vermisste sie ihn so sehr, dass es schon wehtat. Also schickte sie ihm eine SMS. Daheim. Blau und grün, aber am Leben. Rufe später an. Was für Schafe? xC
Clare setzte sich an ihren Schreibtisch, schlug ihr Notizbuch auf und hielt ein paar Gedanken fest. Dann breitete sie die Notizen, Fotos, Zeitungsausschnitte aus, die sie in den letzten Tagen gesammelt hatte. Sie kaute auf ihrem Bleistift und hinterließ mit den Zähnen kleine, präzise Abdrücke.
Die Zeitfolge bislang: Der Samstag war ein Flickenteppich verschiedenster Fragmente – der Anfang des Abends, wie ihn Sophie Xaba in Erinnerung hatte. Die Fotos, die Ian Wilde von der Vernissage gemacht hatte, die Gäste, Damien Sykes bruchstückhafte Schilderung, die Erinnerungen der Osmans an jenen Abend, Suzannes triumphaler Erfolg, die vielen Verkäufe, ihre Heimfahrt.
Dank der Informationen, mit denen Wilma Smit sie versorgt hatte, hatte sie den Abend in saubere Zeitabschnitte unterteilen können. Wilma Smits Schilderung stimmte mit ihren Erkenntnissen überein, genau wie auch Sophie Xabas – davon, wie das Kind gefunden worden war. Die Polizei, das dort herrschende Durcheinander, das Abschieben der Verantwortung für ein vor Entsetzen verstummtes Kind.
Trotzdem blieben Leerräume. Für den Zeitraum, nachdem Sophie Xaba Liliths Mutter zum letzten Mal lebend gesehen hatte, bis zu dem Augenblick, als Lilith von den Polizisten gefunden wurde, gab es keine Folge von Post-its.
Clare schaute hinaus auf die Promenade. Sie wäre gern gejoggt, um ihren Kopf klar zu bekommen und ihre Gedanken zu verknüpfen. Sie reckte sich, um ihren Körper auf die Probe zu stellen, aber die Blutergüsse begannen sofort zu pochen, sobald sie sich bewegte, und ihre Muskeln waren steif. Trotzdem wusste Clare, was sie tun musste.
Sie packte die Dokumente ein, suchte Schlüssel, Handy, Waffe zusammen. Seit der Entführung war sie extrem nervös. Die Browning, die so glatt in ihrer Hand lag, beruhigte sie halbwegs. Es gab zwei Menschen, die möglicherweise wussten, was sich in den verlorenen Stunden abgespielt hatte. Und bei einem wusste Clare, wo sie ihn finden konnte.
Um halb elf erreichten Clare und Lilith in einem Mietwagen Laingsburg.
»Meine ouma hat sich nicht gerade angehört, als hätte sie in der Lotterie gewonnen, als ich ihr erzählt habe, dass wir zu ihr unterwegs sind«, sagte Lilith, den Blick auf die verrammelten Geschäfte gerichtet, an denen sie vorüberfuhren. »Ist bei dir alles okay?« Sie legte die Hand auf Clares Arm.
Allmählich verfärbten sich die Blutergüsse, und die Schmerzen hielt Clare mit Myprodol in Schach.
»Mir ist ein bisschen schwummrig«, gestand Clare. »Aber es geht schon.«
»Schwummrig ist mir auch«, sagte Lilith. »Kein Schlaf und so.«
»Das tut mir leid.«
»Kein Problem.« Lilith sah aus dem Fenster. »Dadurch hatte ich Zeit zum Nachdenken.«
»Über deine Mutter?«
»Genau«, antwortete Lilith. »Worüber sonst? Hier musst du abbiegen. Beim
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