Galgenberg: Thriller (German Edition)
Gallows Hill?«
Clare nickte.
»Sie können nichts dafür, dass jemand Sie umbringen wollte. Gerade Sie sollten das wissen.«
»Ich weiß es sehr wohl«, sagte Clare. »Ehrlich. Aber haben Sie schon einmal jemandem in die Augen gesehen und im selben Moment erkannt, dass Sie für ihn nichts als eine lebende Leiche sind? Es ist, als würden sie einem Basilisken in die Augen sehen. Es lässt Ihnen das Mark in den Knochen gefrieren. Und dabei hatte das nichts mit mir persönlich zu tun. Eigentlich ging es um Riedwaan.«
»Inwiefern?«
»Mit den Skeletten am Gallows Hill kamen ein paar höchst obskure Grundstückskäufe ans Tageslicht.«
»In diesem Fall sollten Sie sich eine Zeit lang aufs Filmemachen beschränken.«
»Das habe ich versucht. Aber der Dokumentarfilm, an dem ich zurzeit arbeite, hat mich überhaupt erst in diesen Schlamassel gebracht.«
»Worum geht es dabei?«
»Um die Sklaverei am Kap«, sagte Clare.
»Herr im Himmel, Clare«, seufzte er. »Warum drehen Sie zur Abwechslung nicht mal was über Gartenkunst? Oder Jazz? Irgendwas, wo niemand stirbt.«
Er griff nach seinem Rezeptblock. »Ich verschreibe Ihnen etwas, das Ihnen beim Einschlafen helfen wird. Und etwas gegen die Schmerzen. Sie lassen es mich wissen, wenn Sie die Traumatherapeutin sehen wollen. Vielleicht morgen?«
»Mal sehen«, antwortete Clare. Vage.
Sie stellte sich hin und versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Die Schmerzen in ihrem Körper differenzierten sich allmählich. Der Druck in ihrem Kopf, das Brennen in den Rippen, das Pochen in ihrer rechten Hüfte, mit der sie auf dem Boden aufgekommen war. Gerade als Clare ihr verdrecktes Hemd über die Verbände streifte und aufstehen wollte, rief Lilith an.
»Holen Sie mich hier ab«, bat Clare, ohne zu überlegen. »Ich muss hier raus.«
Lilith half Clare, das Hemd auszuziehen. Die weißen Verbände waren eng um ihren Körper gewickelt und hielten die geprellten Rippen an Ort und Stelle.
»Sieht aus wie japanisches Bondage«, meinte Lilith.
»Nehmen Sie die wieder ab. Ich muss mich waschen.« Clare zuckte zusammen, als Lilith die Verbände abwickelte und die leuchtenden Male darunter freilegte.
»Kinbaku«, sagte Clare. »So heißt das dort. Offenbar gilt es als Kunstform.«
»Wenn die Blutergüsse erst voll erblüht sind, sehen Sie sowieso wie ein Kunstwerk aus.«
Lilith half ihr in die Badewanne.
»Eher wie die Regenbogen-Nation«, gab Clare zurück und ließ sich ins heiße Wasser sinken. »Ich mag geschunden und verletzt sein, aber ich lebe noch und werde eines Tages meinen Traum wahr machen.«
»Trinken Sie den.« Lilith reichte ihr einen Whiskey.
Clare schloss die Hände um das Glas und bemühte sich, das Zittern zu unterdrücken.
»Das sticht«, sagte sie, als Lilith den Schwamm in das warme Wasser tauchte und ihn über ihrer Haut ausdrückte.
»Trinken Sie und reißen Sie sich zusammen. Sie werden sich daran gewöhnen.«
»Sie sind nicht gerade die geborene Krankenschwester«, stellte Clare fest.
»Halten Sie still, damit ich Sie bettfertig machen kann.« Lilith legte einen Finger auf den blauen Fleck, der sich an Clares Wange bildete. »Was wurde aus dem Bastard?«
»Der ist spurlos verschwunden«, erzählte Clare. »In den Busch.«
»War er verletzt?«, fragte Lilith, während sie warmes Wasser über Clare schüttete und sie dann vorsichtig tiefer in die Wanne drückte.
»Ich glaube schon.«
»Dann wird er sich behandeln lassen müssen, und dann werden sie ihn kriegen. Wissen Sie, wer es war?«
»Ich kann mir gut vorstellen, wer ihn geschickt hat«, sagte Clare. Sie nahm Liliths Hand und hielt sie fest. Zum Teil, um ihr eigenes Zittern zu unterdrücken. »Dieses Bauvorhaben, bei dem wir auf die Knochen Ihrer Mutter gestoßen sind … Also, die Leute, die dahinterstecken, würden nicht mal mit der Wimper zucken. Ich wäre einfach ihr zweites Opfer an diesem Tag.«
Tränen stiegen auf, als sie an Ritas zusammengekrümmten Leib dachte.
»Sie glauben, Waleed Williams steckt dahinter?«, fragte Lilith. »Ich habe ihn im Fernsehen gesehen.«
Clare drückte ihr den Whiskey in die Hand. »Ich kann das nicht mehr trinken.«
Lilith leerte das Glas. Sie wickelte Clare in ein Handtuch und führte sie ins Schlafzimmer.
»Mir ist so kalt«, flüsterte Clare. Sie hatte zu schlottern begonnen.
»Ich halte dich«, sagte Lilith.
»Sie sollten schlafen«, protestierte Clare. »Es ist schon spät.«
»Ich schlafe fast nie.« Lilith legte sich neben Clare
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