Galgenberg: Thriller (German Edition)
sah Clare in die Augen.
»Wollen Sie wirklich noch mehr über Suzanne wissen? Na schön, Dr. Hart, niemand konnte ihr und ihrer Wildheit widerstehen. Sie brauchte die sexuelle Freizügigkeit.«
»Hatte sie eine Affäre mit Ihrem Bruder?«
»Eigentlich nicht.«
»Und mit Jacques Basson? Wissen Sie, wieso er sich so auf ihre politische Einstellung fixierte?«
»Ihre politische Einstellung«, wiederholte Merle Osman. »Ich bin nicht sicher, ob es ihre politische Einstellung war. Eigentlich wurde Suzanne von den meisten Menschen ausgenutzt.«
»Was wollten sie von ihr?«
»Geld oder ein Dach über dem Kopf. Oder einen Platz, an dem sie ihre Sachen einlagern konnten. Suzanne tanzte immer am Abgrund, genau wie ihre Tochter. Aber verglichen mit Lilith war Suzanne deutlich naiver.«
»Können Sie sich an ein bestimmtes Ereignis erinnern?«
»Ich war ihre Galeristin, nicht ihre Busenfreundin.«
»Wie sahen ihre Arbeiten aus, wie wurden sie aufgenommen?«, fragte Clare.
»Sie hatte ein unglaubliches Gespür für Erotik. Sie entlarvte die Menschen. Eigentlich merkwürdig, wenn man bedenkt, woher sie kam. Aus einer Kleinstadt im Karoo und so.«
»Genau wie Sie und Ihr Bruder«, stellte Clare fest.
»Ziemlich. Man kann kaum weiter von der Kunstwelt entfernt sein als in Carnarvon.«
»Suzannes Gemälde tauchen an einigen ungewöhnlichen Orten auf«, sagte Clare. »Ich hätte nicht gedacht, dass Jacques Basson eines besitzt. Einen Akt.«
»Sie haben ihn kennengelernt?« Merle Osman zog eine gezupfte Braue hoch.
»Allerdings. Er war der Polizist, der sie damals festnehmen sollte. Ich finde es erstaunlich, dass ein Angehöriger der Sicherheitspolizei Kunst sammelt.«
»Ich auch. Vielleicht ist es ein Memento. Schönheit und Grausamkeit fügen sich gut zusammen.«
»Sie haben es ihm nicht verkauft?«, fragte Clare.
»Nein«, antwortete Merle. »Aber ihre Werke werden anerkannt. Ab und zu wird eines weiterverkauft. Wobei wir als Erstgaleristen keinen Einfluss mehr darauf haben.«
»Sie stehen also nicht mit ihm in Kontakt?«
»Gewiss nicht.Warum sollten wir?«
»Manchmal sitzt die Vergangenheit der Gegenwart im Nacken«, sagte Clare. »Und ist schwer abzuschütteln.«
»Ich muss jetzt wirklich wieder nach unten, Dr. Hart.«
»Nur noch eine Frage«, hielt Clare sie auf. »Inwiefern interessierte sich Suzanne für südafrikanische Kunst, unsere alten Meister, könnte man fast sagen – Pierneef, Villa, Laubser ?«
»Soweit ich weiß, interessierte sie sich überhaupt nicht dafür«, erwiderte Merle Osman. »Ich kann mich nur noch erinnern, dass sie einmal sagte, sie gehörten alle einer alten Ordnung an, die uns im Stich gelassen hätte. Aber wie schon gesagt, ich kannte Suzanne nicht besonders gut. Über solche Fragen sollten Sie mit Gilles reden.«
»Ist er heute Abend hier?«
»Es ist so voll.« Merle Osmans Lächeln wirkte angespannt, ihre Lippen hoben sich nur knapp, um eng stehende Zähne in einem zu schmalen Kiefer zu entblößen. »Aber Gilles ist bestimmt irgendwo. Jetzt muss ich Lilith suchen. Sie steht heute Abend im Mittelpunkt, und ich habe ein paar Privatkunden hier, die sie gern kennenlernen würden.«
Sie wandte sich zum Gehen, hielt inne und drehte sich noch einmal zu Clare um.
»Sie haben ihr wirklich keinen Gefallen getan, Dr. Hart, indem Sie all das wieder ans Tageslicht gezerrt haben, wissen Sie? Das hat die Schmerzen nur wieder aufgerührt.«
Der Vorhang senkte sich hinter ihr. Clare betrachtete erneut die Installation; alle Einzelheiten, die Lilith und sie aus ihrer Erinnerung wachgerufen hatten, waren darin verarbeitet. Das leere Bett, das Essen, der Bär. Dazu einige Sachen von ihrer Mutter. Langspielplatten, ein über einen Stuhl gelegtes Kleid, Skizzenbücher und Suzannes Gemälde, das Clare so überrascht hatte.
Sie schloss die Augen. Schärfte ihren Blick erneut, diesmal nach innen. Das weiße veld . Das Armeefahrzeug. Die hübschen Gesichter junger Wehrpflichtiger.
Sie hatte dieses Bild schon einmal gesehen.
Ein Schweißtropfen, kalt wie der Blick eines Killers, rann über ihren Rücken.
Clare ging zurück und die Treppe hinab in den Hauptausstellungsraum. In der Zwischenzeit schoben sich noch mehr Menschen durch die Ausstellung. Zu viel Alkohol, zu viele Körper auf zu wenig Fläche. Das hektische Pumpen von Club Music füllte den noch verbliebenen Freiraum aus. Clare kämpfte sich von einem Raum in den nächsten durch.
Damien Sykes und seine Frau waren da – aber
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