Galgenberg: Thriller (German Edition)
Schlaf zu begleiten.
Suzanne le Roux. Lilith. Beide drängten sich in Clares Gedanken, ein Gemisch widersprüchlicher Bilder.
Hier entlang.
Da entlang.
Alles durcheinander.
Undurchdringliche Dunkelheit.
Clare dachte auch an die beiden Obdachlosen, die in der Nähe erschossen worden waren. Sie orientierte sich und versuchte auszurechnen, wo die Wand gestanden haben mochte, an der ihre zusammengesackten Leichen gelehnt hatten, unbeachtet wie Ungeziefer. Waren sie nur zufällig zur selben Zeit ermordet worden – oder hatte man hier unerwünschte Zeugen eliminiert? Ein schreckliches Geschäft, wie Lydia Gonzalez angedeutet hatte.
Eine flüchtige Bewegung lenkte Clare ab. Zu ihrer Überraschung war der dürre Hund in der Nähe einer Öffnung wieder aufgetaucht, die in der aufgebrochenen Erde kaum zu erkennen war.
Clare ging hinüber. Sie war froh über die kleine Browning unter ihrer Bluse. Sie ging in die Hocke und schielte in einen modrigen Regenkanal. Er schien gerade so breit, dass man darin gehen konnte, und führte in einer langen Kurve den Hügel hinauf.
Sie holte ihr Handy heraus und rief Shorty de Lange an.
»Hey, Shorty, erinnern Sie sich an die zwei toten bergies , von denen ich Ihnen erzählt habe, die beiden am Gallows Hill in den Achtzigern? Sie haben nichts für mich über die beiden, oder?«
»Hat Ihnen Riedwaan nicht erzählt, was die Schussanalyse ergeben hat?«
»Er ist also okay?«
»Okay schon, aber ungefähr so zerschrammt wie Sie gestern Abend«, antwortete De Lange. »Er ist nicht bei Ihnen?«
»Nein, wir finden einfach nicht zusammen. Am Leben zu bleiben, ist zurzeit anscheinend ein Vollzeitjob. Was ist mit ihm?«
»Lange Geschichte«, sagte De Lange.
»Kommen Schießereien und Tote darin vor?«
»Er wird es Ihnen erzählen, wenn er Sie trifft. Die Entführung …«
»Ja, Waleed Williams hat nicht gelogen.«
»Clare, es gibt dabei keine Verbindung zu Williams«, wandte De Lange ein. »Die Entführung hängt mit diesem Suzanne-le-Roux-Fall zusammen. Mit der Waffe, die in ihrem Auto gefunden wurde, wurden auch die beiden bergies ermordet, nach denen Sie mich gefragt haben.«
»Shorty, ich muss mit Riedwaan sprechen.«
»Er müsste bald bei Ihnen sein«, sagte De Lange. »Er wollte zu Ihnen fahren. Er wollte davor nur noch etwas klären, hat er gesagt. Mit einem oke namens Jacques Basson. Einem Exbullen von der Sicherheitspolizei.«
»Wann?«, flüsterte Clare.
»Vor ungefähr einer Stunde. Geben Sie ihm noch etwas Zeit.«
»Ich habe keine Zeit mehr, Shorty. Ich brauche ihn jetzt gleich.«
»Ich glaube, das weiß er«, sagte De Lange.
42
FORENSIC. Das polizeiblaue Neonschild erstreckte sich über die Front der Woodstock Gallery. Als Clare ankam, blockierte eine Traube frisch eingetroffener Gäste den Eingang. Die letzte Ausstellung der Saison, der Sommerwahnsinn von Kapstadt, der seinem Ende zuging. Sie schaffte es ins Foyer und schaffte es auch, ihre Ängste um Riedwaan zu verdrängen. Vorübergehend.
»Wo ist Lilith?«, fragte Clare das storchenbeinige Galerie-Girl.
»Da drin.« Sie deutete in den strahlend hellen Ausstellungsraum.
»Ist sie schon durch mit ihren Interviews?«
»Seit einer halben Stunde«, antwortete das Mädchen und fing, noch während sie mit Clare sprach, mit den Augen die nächsten Neuankömmlinge ab. »Sie unterhält sich gerade mit Damien Sykes und ein paar anderen Käufern. Seit der Leichnam ihrer Mutter gefunden wurde, ist das Interesse an ihren Arbeiten noch gestiegen.«
Clare dankte ihr und schob sich durch die Menge.
An der Bar gab es einen Stau. In einem dichten Pulk standen die Besucher vor den ausgestellten Werken. Alles war voll. Die blau geäderten Hände um die Stiele der Sektflöten gekrallt, beobachteten Frauen gelangweilt, wie ihre Männer anderen Frauen in kurzen, engen Röcken nachschauten. Andere hingegen hatten nur Augen für die schlanken, kunstvoll zerzausten Jungmänner, die von einer Gruppe zur anderen schwebten.
Magda de Wet winkte Clare zu sich und reichte ihr eine Champagnerflöte. »Erst sehe ich dich monatelang überhaupt nicht, und dann gleich zweimal in einer Woche«, stellte sie fest und befingerte die blaue Seide um Clares Hals. »Bezaubernder Schal.«
»Danke«, sagte Clare. »Ich bin auf der Suche nach Lilith. Hast du sie gesehen?«
»Gerade war sie noch hier. Sie sieht völlig erschöpft aus.«
»Die letzten Tage waren für sie sehr anstrengend.«
»Für dich auch, so wie es aussieht.« Magda legte
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