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Galgenberg: Thriller (German Edition)

Galgenberg: Thriller (German Edition)

Titel: Galgenberg: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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Lilith war nirgendwo zu entdecken.
    »Wo ist Lilith?«, fragte sie.
    »Ich dachte, sie wäre zur Toilette gegangen«, antwortete Saskia Sykes. »Sie sah nicht gut aus.«
    Clare schaute nach. Auf der Toilette war Lilith nicht.
    Sie arbeitete sich wieder ins Foyer vor, wo sie Magda und Pedro entdeckte, die ihre Köpfe zusammensteckten und über eine Anekdote lachten.
    Sie winkten Clare zu sich her, aber sie sagte: »Ich bin auf der Suche nach Lilith.«
    Clare eilte an den Empfang.
    »Haben Sie Lilith gesehen?«, fragte sie das Galerie-Girl.
    »Sie hat sich ein Taxi rufen lassen«, antwortete sie.
    »Hat sie gesagt, wohin sie wollte?«
    »Sie hat sich ein Taxi rufen lassen, weil sie sich mit Ihnen treffen wollte.« Das Mädchen sah Clare verwundert an. »Sie dachte, Sie wären schon gegangen.«
    Clare zwängte sich nach draußen und rannte zu ihrem Auto. Sie wendete quer über die Straße und fuhr auf die Stadt zu. Die roten Heckleuchten glühten in der leeren Straße.
     
    Das Haus am Carreg Crescent stand still im Mondlicht. Clare klopfte an, doch niemand reagierte, und alle Lichter waren aus. Sie ging zur Rückseite des Hauses. Eine Eule flog auf, und ihr Schatten glitt über Clare hinweg, bevor der Vogel abdrehte und zu den bewaldeten Hängen des Signal Hill weiterschwebte.
    Der Wind warf sich wütend gegen das alte Haus und zog sich dann ohne Vorwarnung zurück.
    Clare schob den Schlüssel in die Küchentür und stellte dabei fest, dass sie schon offen war. Nervös trat sie ein. Eine Teetasse mit rotem Halbmond aus Lippenstift in der Spüle, ein Aschenbecher, ein umgeworfener Stuhl. Von Suzannes Skizzenbüchern, ihren Papieren, Clares Notizen war nichts zu sehen.
    Sie ging weiter in den düsteren Flur. Am anderen Ende schob sie Liliths Schlafzimmertür auf. Clares Angst zählte wie ein Metronom die Sekunden ab, bis sich ihre Augen an das fahle Licht gewöhnt hatten.
    Neben Liliths Bett eine Schachtel Schlaftabletten, eine Ausgabe der Glasglocke . Sylvia Plath sah zu Clare auf. In der Schublade des Nachttischs lag eine kleine Zeichnung von Clare, deren Haar sich über ein Kissen ausbreitete. Taschentücher, Zigaretten, Lippenpflegestift.
    Keine Lilith. Auch keine Unterlagen.
    Clare schlich nach oben ins Atelier, den Körper an die Wand gepresst, damit die Stufen nicht knarrten. Licht fiel durch die Fenster und erhellte den langen Tisch in der Mitte des Raumes. Eine Serie von Fotografien lag, exakt ausgerichtet, in der Mitte der Tischplatte. Alles Nahaufnahmen von Liliths Gesicht, die Augen groß und dunkel wie Blutergüsse. In jedem einzelnen Auge leuchtete ein weißer Schlitz, alle Pupillen waren herausgeschnitten.
    Clare hörte ein Geräusch und fasste nach ihrer Browning. Nur ein Ast, der gegen eine Scheibe schlug. Sie atmete aus, öffnete sich anderen Sinneseindrücken.
    In der Luft lag ein schwacher Geruch. Nicht nur nach Terpentin, auch nicht nach Holzkohle oder dem leichten Parfüm, das Lilith trug. Nach etwas Dunklerem, Schwererem, das durch den Vorhang vor dem Alkoven am Ende des Ateliers drang.
    Blut.
    Clare schob die Vorhänge beiseite und wich vor der marmorblassen Gestalt zurück, die dahinter auf dem Boden lag. Lilith. Das so schöne Gesicht von der Tür abgewandt, durch die Clare eingetreten war. Clares Blick glitt von den zerbrechlichen Schultern abwärts, Rippe um Rippe, bis zu den spitzen Hüften, dem weichen Schwung der Schenkel. Den Knien. Den Füßen, immer noch in High Heels.
    Fast die Pose eines liegenden Aktes.
    Die Glieder waren klein und kompakt, die Hüfte erhob sich unter der schmalen Taille, die Brüste waren entblößt.
    Über der klaffenden Wunde ein leeres Gesicht und schlaffes, klebriges Haar.
    Um sie herum eine Blutlache.
    Beide Handgelenke waren aufgeschlitzt, die langen Schnitte reichten bis auf den Knochen. In den Falten ihres grünen Kleides ruhte die blutige Klinge eines Anreißmessers.
    Clare ging neben Lilith auf die Knie, spürte ihren federleichten Atem.
    Sie lebte noch. Gerade noch.
    »Du darfst nicht sterben, Lily, du darfst nicht sterben.« Clare streifte ihre Jacke ab und wickelte sie wie einen Verband um Liliths Handgelenk. Dann nahm sie einen farbfleckigen Lumpen und wickelte ihn um das andere Gelenk.
    Sie riss den Vorhang von der Stange und legte ihn zusammengefaltet unter Liliths Kopf. Lilith kühlte aus. Viel zu schnell. In einer Ecke lag ein Stapel Säcke. Clare holte ein paar davon und breitete sie über das sterbende Mädchen.
    »Ich bin bei dir«, sagte Clare.

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