Galgenberg: Thriller (German Edition)
Osman?« Clare holte tief Luft. »Das wird Ihrem Ruf weitaus schlimmer schaden als Ihre längst vergessenen Schmuggelgeschäfte. Das wird Sie ruinieren.«
»So reden Sie nicht mit mir. Dumme Schlampe.«
»Nur ein Kratzer, und schon fällt die Maske ab«, meinte Clare.
Osmans Knöchel wurden weiß, so fest umklammerte er die Pistole.
»Jacques Basson musste hinter Ihnen aufräumen, habe ich recht?«, provozierte sie ihn. Es war ein riskantes Spiel, aber Clare musste ihn ablenken. »So wie er schon in diesem Kaff, aus dem Sie beide kamen, für Sie gesorgt hat. Wie er in der Armee für Sie gesorgt hat. Schon damals standen Sie in seiner Schuld, darum bezahlten Sie mit Informationen und ließen ihn Ihre Galerie als Tarnung verwenden. Aber nach der Sache mit Suzanne waren sie für alle Zeiten verpflichtet. Sie gehören ihm, ganz gleich, wie viel Sprechunterricht Sie nehmen, wie viele schicke Autos Sie sich kaufen. Sie sind und bleiben sein Schoßhündchen. Sie zahlen bis heute dafür, nicht wahr? Seither gehören Sie ihm, mit Leib und Seele – falls Sie je eine hatten. Das wollte Lilith heute Abend mit ihrer Installation ausdrücken, darum hat sie Suzannes Gemälde darin eingebettet. Damit alle Welt es sieht. Damit Sie und ich begreifen.«
Der Abgrund.
Clare hatte ihn darübergestoßen. Sein ebenmäßiges Gesicht war wutverzerrt. Als er sich auf sie stürzte, zog sie abrupt das Knie hoch. Sie traf genau ins Ziel.
Nur nicht fest genug. Er sackte zusammen, doch ohne die Waffe fallen zu lassen. Clare rannte auf die Treppe zu, war jedoch nicht schnell genug. Der Pistolenknauf traf sie an der Schläfe.
Sie wollte wegkrabbeln, aber er bekam ihr Tuch zu fassen und riss ihren Kopf zurück. Sie sah die Tür hinter ihm, offen, die erlösenden Stufen.
Er schlug noch einmal zu.
Er hatte zu fest zugeschlagen. Sie war leicht, aber unhandlich, genau wie die andere. Er musste sie auf den Armen tragen wie ein Kind oder eine Geliebte. Es war unangenehm. Trotzdem tat er es, auch wenn ihr Kopf dabei gegen seine Brust kippte. Er setzte sie auf den Stuhl und fesselte ihr die Hände auf dem Rücken. Dann spülte er seine Hände im Waschbecken ab und massierte dabei die Knöchel, die ihre Gesichtshaut hatten aufplatzen lassen. Das Blut färbte das Wasser rosa und verschwand durch den Ausguss.
Er spritzte ihr Wasser ins Gesicht. Clare kam zu sich, und Zorn und Schmerz loderten in ihren Augen auf.
Er hatte ihre Knöchel gefesselt. In Panik zu geraten brachte nichts, das wusste sie. Sie versuchte, das Herz zu beruhigen, das in ihrer Brust hämmerte. Sie rieb die Hände gegeneinander und mühte sich ab, das Seil um ihre Handgelenke abzustreifen. Es biss in ihre Haut, scharf wie die Zähne eines Fuchses.
»Sind wir jetzt ein braves Mädchen?« Er setzte sich ihr gegenüber an den Tisch.
»Sie können mich mal«, sagte Clare.
»Die Türen sind abgeschlossen. Alle Fenster zu. Draußen ist es dunkel. Und niemand weiß, wo Sie sind, habe ich recht?«
»Wie gesagt, Sie können mich mal.«
»Wir sind allein, wenn man das hier nicht zählt.« Er nickte zu Lilith hin. »Es wäre besser gewesen, wenn sie damals brav im Bett geblieben wäre, nicht wahr? Und noch besser wäre es gewesen, wenn Sie sich da rausgehalten hätten, so wie alle es Ihnen geraten hatten.«
Clare schüttelte den Kopf.
»Sie werden mir all das geben, was ich will. Andernfalls wird nur ein einziger Mensch dafür bezahlen, und dieser Mensch sind Sie. Wie Sie sehen können, hat unsere beiderseitige Freundin schon teuer bezahlt.«
Lilith stöhnte. Draußen kam neuer Wind auf, der den Müll vor sich hertrieb. Irgendwo hatte er eine Metallplatte gelockert. Das Scheppern passte nicht ganz zu dem anderen Geräusch – dem Klicken der Küchentür.
»Warum haben Sie ihr das angetan?«, fragte Clare lauter und mit einem hysterischen Beben in der Stimme.
»Das waren Sie, meine Liebe«, erklärte er ihr. »Sie allein haben die Tore zur Vergangenheit geöffnet und die Gegenwart damit überschwemmt. Das hat Liliths Schutzwälle unterspült, wie Sie sehen können, und nun ist sie darin ertrunken.«
»Was wollen Sie? Bitte rufen Sie endlich einen Krankenwagen !«
»Sie haben einige Dokumente gefunden, wenn ich mich nicht irre. Die mir gehören. Uns, um genau zu sein. Ich hätte sie gern wieder.«
»Und dafür würden Sie zwei Frauen töten?«
»Sogar drei, wenn man Sie mitzählt«, sagte er. »Also, ich will sie haben. Und Sie haben sie. Ich werde an Ihnen arbeiten,
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