Galgenberg: Thriller (German Edition)
hatte?«, wollte Clare wissen.
»Nein. Es gab damals Gerüchte, aber denen schenkte ich keine Beachtung.«
»Was für Gerüchte?«, hakte Clare nach.
»Von einem Serienkiller, der die Straßen säubern wollte, Sie wissen schon. Jetzt, da Sie diese Lady unter dem Beton gefunden haben, frage ich mich, ob das ein Zufall war, das ist alles. Vielleicht steckt gar nichts dahinter. In Südafrika wird so oft vollkommen grundlos gemordet. Einfach so.«
Clare ließ den Wagen an und fuhr zurück in Richtung Innenstadt. Sie würde die Archive durchforsten müssen. Es war zu lange her, als dass sie es online finden würde.
Es war angenehm kühl in den Company Gardens, wo die Eichen tiefe Schatten über die Wege warfen. Sie ging zur Bibliothek, wo eine Handvoll Besucher im Zeitschriftenleseraum saß. Clare füllte ihren Anforderungsschein aus.
»Damit sind Sie eine Weile beschäftigt, Doc.« Der Archivar setzte die Kartons ab, die Clare angefordert hatte. »Januar, Februar, März 1988. Die Cape Times und den Argus. Wonach suchen Sie denn?«
»Nach den Vermisstenmeldungen«, antwortete Clare.
»Wissen Sie, wie viele Menschen damals interniert waren?«, fragte er. »Tausende und Abertausende, bis Mandela 1990 schließlich freigelassen wurde.«
»Ja, ich weiß«, bestätigte Clare.
Sie blätterte durch die Cape Times. Sämtliche Ausgaben aus der Zeit, kurz bevor Tony Gonzalez das Fundament für das Lagerhaus am Gallows Hill gegossen hatte. Fette Schlagzeilen von Massenverhaftungen, Verbannungen. Unzähligen Protestkundgebungen. Von baufälligen Hütten, die von Panzerwagen überrollt wurden, von Bulldozern, von Kindern, die von hinten erschossen wurden, von Frauen mit brennenden Reifen um den Hals, von allgegenwärtigen Bränden. Zwischen alldem Proteste, Erklärungen. Von Künstlern, von Intellektuellen. Aber die vorherrschende Sprache war die der Steine, der Flammen und Kugeln.
Es gab Berichte über vermisste Mädchen; außerdem waren drei Frauen vermisst gemeldet worden. Allerdings waren die Mädchen zu jung und die Frauen zu alt, um zu dem Skelett der namenlosen Frau im grünen Kleid zu passen. Trotzdem notierte Clare sämtliche Details, um ihnen später nachgehen zu können. Namen, nächste Verwandte, Polizeiberichte. Die Namen einiger Detectives, die sie vielleicht noch ausfindig machen konnte. Sie arbeitete sich durch die Zeitungen vor, studierte die Polizeiberichte über ganz banale Morde inmitten eines Bürgerkrieges. Eine Leiche in einem Kofferraum, eine in Newlands Forest. Noch eine in einer schmalen Gasse in Observatory.
In der Ausgabe vom 1. März entdeckte sie eine Kurzmeldung über Gonzalez’ Fahrer. Der Artikel stand versteckt in der Mitte der Zeitung, direkt unter einem Bericht über eine Serie von Kunstdiebstählen aus staatseigenen Museen. Wertvolle Werke wurden vermisst, ein schwerer Verlust für Südafrikas Erbe, jedenfalls laut dem Kunstexperten Gilles Osman, der neben einer abstrakten Skulptur in Positur stand, einen afghanischen Windhund an seiner Seite.
Den Kunstdiebstählen wurden entschieden mehr Spalten eingeräumt als einem ganz gewöhnlichen Mord. Aber neben dem Artikel über die Halskrause war ein kleines Foto abgedruckt, auf dem ein Haufen verkohlten Fleisches und im Hintergrund ein ausgebranntes Fahrzeug zu sehen waren. Und als Silhouette gegen den grauenvollen Sonnenuntergang des 29. Februars 1988 zeichnete sich eine Phalanx von Soldaten ab. Das Foto wurde kontrastiert durch die Abbildung eines entwendeten Landschaftsgemäldes von Pierneef mit geordnetem Horizont und geometrischen Akazien.
Über die Geschichte, die Gonzalez am Telefon erwähnt hatte, wurde ebenfalls berichtet, und zwar am 29. Februar. Zwei obdachlose Männer, bekannte Stadtstreicher, waren an jenem Tag, an dem am Gallows Hill das Betonfundament gegossen wurde, durch Schüsse in den Hinterkopf exekutiert worden. Ihre Leichen waren am Auslass eines Regenkanals gefunden worden, der vielen Kapstädter Obdachlosen als Unterschlupf diente.
Dazu hatte man ein Interview mit einem Detective abgedruckt, der erklärte, in der Stadt seien eine ganze Reihe von bergies getötet worden: »Wir glauben, dass diese beiden Morde in Zusammenhang mit der Tötung anderer Stadtstreicher stehen. Allerdings wird sich die Öffentlichkeit gedulden müssen, weil die ballistischen Tests einige Zeit in Anspruch nehmen werden. Wer etwas weiß oder etwas beobachtet hat, soll sich bitte an Detective Jones wenden: Einheit für
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