Galgenberg: Thriller (German Edition)
einem Anwalt und einem Steuerberater geleitet, und die Büros waren irgendwo in der Innenstadt«, erinnerte sich Gonzalez stockend. »Ich weiß noch, dass einer der Mieter besondere Sicherheitsvorkehrungen wünschte, irgendwas in der Art.«
»Sie kannten also keinen der Mieter?«
»Tut mir leid, aber da kann ich Ihnen nicht helfen. Solche Sachen handelte der Ehemann der Firmeneigentümerin aus. Ich nehme an, das Ganze war sein Projekt.« Gonzalez holte Luft. »Nicht, dass es viel geholfen hätte. Die Mieter wechselten dort ständig. Die ganze Gegend war im Grunde ein besserer Slum. In den alten Häusern rund um die Baustelle hausten Kunststudenten. Ein paar Künstler hatten dort ihre Ateliers, und ein, zwei Galerien nutzten die Lagerhäuser für ihren Kram. Aber es gab dort praktisch nichts zu verdienen. Nur ein, zwei Matrosenkneipen. Und in den Wohnungen rundum lebten nur Prostituierte und alte Damen, die auf den Tod warteten. Die meisten Gebäude dienten nur als billige Lagerfläche. Import, Export. Keine Ahnung, wie viel davon legal war. Damals gab es kaum Aufträge, darum wollte ich nicht allzu viele Fragen stellen.«
»Keine Namen?«
»Wie gesagt, es ist schon lange her. Hören Sie, meine Frau ist zurzeit bei meiner Tochter in Brisbane, wir haben ein neues Enkelchen bekommen. Ich rufe sie mal an, vielleicht fällt ihr noch etwas ein.«
»Danke«, sagte Clare und gab ihm ihre Nummer.
»Kein Problem«, erwiderte er.
14
Clare fädelte sich in den Verkehr ein. Aus reiner Neugier fuhr sie am Gallows Hill vorbei, wo die Schar der Gaffer seit dem Vortag noch angewachsen war. Taxis fuhren über den Gehweg, um die Ampel zu umgehen, mit der die Verkehrspolizei das Chaos zu regeln versuchte. Die Presse hatte sich in einem dichten Schwarm unter dem einzigen Baum in der Nähe der Baustelle versammelt. Clare entdeckte Engel und seinen Fotografen. Außerdem fiel ihr der schwarze Hummer auf, der auf dem Gehweg parkte.
Clares Handy läutete, aber um sie herum war zu viel Polizei, als dass sie beim Fahren telefonieren konnte. Sie lenkte den Wagen an den Straßenrand, um den Anruf entgegenzunehmen.
»Hier ist noch einmal Tony Gonzalez«, sagte die Stimme. »Wegen dieses Lagerhauses, das wir damals gebaut haben. Ich habe eben hier gesessen und an die Frau gedacht, die unter dem Beton vergraben wurde. Ich habe mit meiner Frau darüber gesprochen. Sie wollte wissen, ob ich verdächtigt werde. Und, werde ich?«
»Sie sind nicht von der Liste der Verdächtigen gestrichen, zumindest noch nicht.«
»Aber ich stehe doch bestimmt ziemlich weit unten, oder?«
»Ganz oben stehen Sie nicht, nein«, sagte Clare. Sie verschwieg, dass er nicht an oberster Stelle ihrer Liste stehen konnte, weil sie gar keine Liste hatte. Sie hatte nicht einmal einen Namen für die Tote. Und solange sie den nicht hatte, standen die Chancen, eine Liste von Verdächtigen erstellen zu können, gleich null.
»Das ist eine Erleichterung«, sagte er. »Ich fände es schrecklich, wenn jemand glauben würde, Sie wissen schon …«
»Ich weiß«, erwiderte Clare.
»Jedenfalls, Lydia – das ist meine Frau, versteht sich –, sie ist wie ein Elefant. Ihr Gedächtnis, meine ich, nicht ihre Größe. Sie hat mich an etwas anderes erinnert, was damals passierte. Das hatte ich völlig vergessen, tut mir leid.«
»Und was war das?«, fragte Clare.
»Damals wurden zwei Tote gefunden. Erschossene Obdachlose. Lydia ist sicher, dass das passierte, kurz nachdem wir mit dem Bau des Lagerhauses begonnen hatten«, erzählte Gonzalez. » Bergies . Wir kannten die beiden. Wissen Sie, sie taten Lydia leid. Es gab so viele Obdachlose, weil, na ja, weil das damals eben so war.«
»Es ist immer noch so«, warf Clare ein.
»Mag sein. Jedenfalls brachte sie den beiden immer etwas zu essen mit, wenn sie freitags auf die Baustelle kam, um die Löhne auszuzahlen. Sie müssten nachprüfen, wann die Leichen genau gefunden wurden. Es stand damals in der Zeitung, da bin ich ganz sicher. Genau wie die Geschichte mit der Halskrause.«
»Aber die Bauarbeiten hat das nicht verzögert?«, fragte Clare.
»Nein, nein, die Männer wurden außerhalb der Baustelle gefunden, am Ausgang eines Flutkanals – offenbar hatten sie dort gehaust.«
»Wissen Sie noch, wie sie umgebracht wurden?«
»Durch einen Schuss in den Hinterkopf. Wie bei einer Exekution«, sagte Gonzalez. »Meine Arbeiter konnten sich gar nicht beruhigen.«
»Glauben Sie, dass das etwas mit den Bauarbeiten zu tun
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