Galgenberg: Thriller (German Edition)
müssen. Ich glaube, dass jemand sie dort vergraben hat, kurz bevor die Bodenplatte gegossen wurde.«
»Was wollen Sie damit sagen, Dr. Hart?«, fragte Gonzalez.
»Ich erzähle Ihnen nur, was ich weiß. Ich will herausfinden, wer sie war. Wer sie umgebracht hat. Ich dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen.«
»Sollte ich mir einen Anwalt nehmen?«
»Das hängt davon ab, Tony«, sagte Clare, »was Sie getan haben.«
Langes Schweigen.
»Es fällt mir nicht leicht, mich wieder dort zu sehen.« Die Selbstsicherheit war aus seiner Stimme verschwunden, dafür schlichen sich die südafrikanischen Vokale wieder ein. »Als wir damals wegzogen, habe ich mit allem abgeschlossen. Ich halte nichts davon, die Vergangenheit am Leben zu halten. Wem ist damit geholfen?«
»Es könnte mir helfen, denjenigen zu finden, der diese junge Frau ermordet hat«, sagte Clare.
Die Stille lastete schwer zwischen ihnen.
»Dieses ständige Morden.« Als Gonzalez weitersprach, war er kaum noch zu verstehen. »Damals war Südafrika ein einziges Kriegsgebiet. Und das ist es immer noch.«
»Wieso sind Sie weggegangen?«, fragte Clare. »Gerade als sich alles zu ändern begann?«
»Das war 1988 noch nicht abzusehen«, sagte Gonzalez. »Ein Haufen streikender Arbeiter – damals nannten sie sich Comrades. Sie bekamen ihn zu fassen – meinen Fahrer –, kurz nachdem wir am Gallows Hill zu bauen begonnen hatten. Die gleiche Jahreszeit wie jetzt, Ende Februar. Ich wünschte, ich könnte das vergessen.« Seine Stimme versagte.
»Was passierte damals?«, bohrte Clare nach.
»Mein Fahrer bekam eine sogenannte Halskrause umgelegt. Er hatte fünfzehn Jahre für mich gearbeitet. Damals wurde gerade gestreikt. Er machte sich vor Angst fast in die Hose, aber ich war der Meinung, dass wir unsere Arbeiter nach Hause bringen mussten. Es fuhren keine Züge mehr und auch keine Taxis. Sie hatten den ganzen langen Tag in der Hitze gearbeitet. Also luden wir sie alle auf den Truck. Und fuhren sie nach Crossroads. Dort haben wir sie abgesetzt, aber als wir wieder zurückwollten, war die Straße gesperrt. Sie hatten eine Barrikade errichtet.«
Gonzalez räusperte sich.
»Sind Sie noch dran?«, fragte er.
»Ich bin hier«, bestätigte Clare.
»Ich habe nicht mehr darüber gesprochen, seit ich damals wegging«, sagte er.
»Lassen Sie sich Zeit.«
»Die Comrades zerrten uns beide aus dem Wagen. Die Männer, die ihn geschnappt hatten, beschimpften ihn als Verräter und als Streikbrecher, und dann hängten sie ihm einen Reifen um den Hals, übergossen ihn mit Benzin und zündeten ihn an. Ein anständiger Mann, der vor meinen Augen bei lebendigem Leib verbrannte. Und ich tat nichts.«
»Was hätten Sie denn tun können?«
»Der Punkt ist, dass ich überhaupt nichts unternahm«, sagte Gonzalez. »Sie können alles in den Zeitungen nachlesen. Der Fall machte damals Schlagzeilen. Die Polizei rettete mich. Ein Sondereinsatzkommando, wenn ich mich recht erinnere. Danach verkaufte ich mein Unternehmen, nahm meine Frau und meine Kinder mit und brachte sie hierher. Ich will nichts mehr mit diesem Land zu tun haben. Ich will nicht einmal mehr daran denken.«
»Aber Sie sollten wissen, dass eine junge Frau unter der Bodenplatte begraben wurde.«
»Wenn Sie wollen, dass ich nach Kapstadt komme, dann müssen Sie einen Auslieferungsantrag stellen«, sagte Gonzalez. »Ich habe mir hier ein neues Leben aufgebaut. Südafrika ist passé.«
»Sie hatte ein Kind«, sagte Clare. »Ein kleines Kind. Vielleicht vier Jahre alt.«
Stille, dann ein bitteres Lachen.
»Sie verstehen es wirklich, mit dem Herzen eines Mannes zu spielen, Dr. Hart.«
»Sie haben selbst Töchter, Mr Gonzalez. Drei, glaube ich. Und inzwischen auch Enkelinnen.«
Gonzalez blieb so lange still, das Clare schon glaubte, er hätte aufgelegt.
»Was wollen Sie wissen?«
»Das Lagerhaus, das Sie gebaut haben, war das einzige neue Gebäude. Alle anderen Bauten waren älter. Ich muss wissen, wer es damals gemietet hat, wer außer Ihnen Zugang gehabt haben könnte.«
»Dreiundzwanzig Jahre sind eine lange Zeit«, sagte Gonzalez, »und der Zugang zur Baustelle war beschränkt.«
»Sie könnten mir verraten, wer das Lagerhaus damals mietete. Wer das Grundstück nutzte. Wer Zugang hatte. Und so weiter.«
»Soweit ich mich erinnere, war es ein Spekulationsobjekt. Unser Auftraggeber war auf Vermietungen spezialisiert, ich glaube, die Firma hieß Saska – nein, Saskia Properties. Sie wurde von
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