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Galgeninsel

Galgeninsel

Titel: Galgeninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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seinem Schreibtisch lagen Papiere in wildem Durcheinander. Funk las und markierte den ein oder anderen nach einer für Schielin geheimen Ordnung mit einem roten oder gelben Marker. Schielin sagte keinen Ton und wartete, bis Funk ihn ansprechen würde. Nichts mochte er selbst weniger als bei einer konzentrierten Arbeit gestört zu werden. Endlich sah Funk auf.
    »Gepax «, warf ihm Schielin entgegen.
    Funk erzeugte einen Pfeifton. Auf geheimnisvolle Weise ließ er ihn irgendwo am Gaumen entstehen. Es klang fein und klar, aber auch kalt und scharf. »Hat die Russentruppe was mit eurer Wasserleiche zu schaffen?«, lautete seine Antwort.
    Schielin verzog das Gesicht. »Das weiß ich noch nicht. Aber Dr. Kehrenbroich hat wohl Kontakte zu den Leuten da draußen, die über den rein geschäftlichen Rahmen hinausgehen, wie ich meine.«
    Funk war sichtlich verwundert, stand auf und holte einen breiten Aktenordner aus dem Regal hinten an der Wand. Er hielt ihn hoch und sagte etwas frustriert: »Ermittlungsberichte über die Gepax. Und alles brotlose Kunst. Für die Staatsanwaltschaft nicht ausreichend, um ein Verfahren zu eröffnen. Wir sind nicht weitergekommen mit denen. Das sind aber ganz große Schmutzbuckel, also habe ich unser Material an Zoll und die Finanzler weitergegeben. Bitter, nicht wahr.«
    »Worum ging es denn?«, lud Schielin ihn ein, sein Leid zu klagen.
    »Fleisch«, sagte Funk mit einem angewiderten Gesichtsausdruck und setzte sich ermattet in seinen Sessel. »Sofern man das Wort in diesem Zusammenhang überhaupt noch verwenden kann.«
    Schielin nahm im Besuchersessel Platz und lauschte.
    »Die Gepax hat zwei Standbeine – gebrauchte Industrieanlagen … und Fleisch. Was den Industrieschrott betrifft, machen die so was Ähnliches wie Wohnungsauflösungen, nur dass die sich eben Firmen vornehmen. Das scheint einigermaßen korrekt abzulaufen. Aber die Sache mit dem Fleisch ist derb«
    Funk beugte sich nach vorne und sprach leiser. »Weißt du welchen Fleischanteil russische Würste so haben?«
    Schielin hatte keine Ahnung, aber er befürchtete das Schlimmste. Eher fragend, denn feststellend sagte er: »Fünfzig Prozent, vielleicht sechzig Prozent?«
    »Genau das hätte ich als Pessimist auch getippt. Aber wir sind eben verwöhnt, mein Lieber.« Funk hob nun den rechten Zeigefinger »Russischer Pessimismus verfügt über geradezu fatale Aspekte.«
    Das klang nicht gut, was die Wurst angeht, dachte Schielin.
    »Der Fleischanteil liegt bei zehn bis dreißig Prozent. Nicht immer und auch nicht im ganzen Land. Aber doch in erheblichem Umfang.«
    Schielin entwich ein »Uahh«
    »Rrrichtig«, sekundierte Funk, »Es ist etwa zwei Jahre her, dass die Gepax im größeren Stil in den Fleischimport eingestiegen ist. Von Anfang an waren die an minderwertiger Qualität interessiert. Also kein IA Fleisch. Man möchte schließlich was verdienen. Die Gepax hat Verträge mit den Schlachthöfen im Allgäu droben, und diese Verträge regeln ausschließlich den Bezug von Fleischabfällen. Also das Zeug, von dem man bis vor einiger Zeit meinte, es würde bei uns keine Verwendung finden.«
    »Bitte keine Details am Montagmorgen«, erbat sich Schielin.
    Funk beruhigte ihn mit einer kurzen Geste. »Es ist ja nicht verboten, Fleischabfälle zu erwerben. Und es gibt für das Zeug sicher auch sinnvolle Verwendungen. Wir sind auch erst aufmerksam geworden, als die russischen Kollegen sich vor einigen Monaten für die Gepax interessierten. Die hatten nämlich einige Todesfälle da drüben, irgendwo im Ural. Da sind Leute nachweislich nach dem Verzehr von Würsten … krepiert, anders kann man es wohl nicht beschreiben. Das kommt in Russland ab und zu mal vor, doch in dem Fall hat man tatsächlich das Ermitteln angefangen und herausgefunden, dass die Gepax die Wurstfabriken beliefert hat.«
    »Ist ja widerlich«, meinte Schielin, »aber wenn es da bereits Todesfälle gab, wo liegt dann die Schwierigkeit, die Gepax zu packen?«
    Funk hob wieder den rechten Zeigefinger »Aufgepasst! Die Leute sind nicht an den Fleischabfällen gestorben. Das ist zwar bitter zu erfahren, aber dieser Dreck lässt sich gut … na ja … verwurschteln.« Funk legte eine Kunstpause ein. »Die wirklich interessante Frage lautet: wenn eine Wurst aus dreißig Prozent Fleischabfall und zwanzig Prozent normalem Fleisch besteht - was ist mit den restlichen fünfzig Prozent?«
    Schielin verzog das Gesicht »Du, bitte. Wenn es noch ekliger wird als es eh schon ist …

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