Galgeninsel
Unterstützung?«
»Ja«, sagte Schielin, »Funk sollte sofort die Unterlagen von Kandras durchgehen. Ich habe sie in einem Karton im Büro stehen. Vielleicht findet sich da etwas über die Beziehung zu Hoibner.«
»Geht klar.«
»Dann bräuchte ich eine Streife, denn ich habe vor den Hoibner festzunehmen. Den Kehrenbroich und die Kandras-Witwe will ich auch auf der Dienststelle haben. Spätestens bis heute Mittag.«
»Den Kehrenbroich auch?«
»Gerade den. Entweder als Verdächtigen oder einfach um ihn aus der Schusslinie zu nehmen.«
Als Kimmel ihn fragend ansah, erklärte Schielin, den Blick auf das Wasser gerichtet: »Wer das getan hat, war Profi. Ein Schuss aus nächster Nähe seitlich in den Kopf. Im Gesicht sind deutlich Schmauchanhaftungen zu erkennen. Der war höchstens ein, zwei Meter entfernt. Es gibt einen zweiten Einschuss im Brustbereich. Fangschuss. So wie sich das darstellt, kam erst der Schuss in den Kopf und das deutet auf jemanden hin, der eiskalt und abgebrüht ist. Ich weiß im Moment nicht, ob Kehrenbroich in Gefahr ist oder selbst hinter dem Ganzen steckt. Wir brauchen ihn jedenfalls sofort.«
»Okay. Dann leg mal los. Ich sage Funk Bescheid. Er wird euch ab jetzt ganz zur Verfügung stehen.« Kimmel drehte sich um und ging. Schielin sprach sich kurz mit Lydia ab. Dann gingen sie so vor, wie Schielin es geplant hatte.
Immobilien-Makel
Lydia holte Funk auf der Dienststelle ab und fuhr mit ihm in die Ludwigstraße. Dort holten sie Kehrenbroich ab. Er folgte ihnen ohne Gezeter zu machen, obwohl sie ihn noch nicht darüber informiert hatten, was genau geschehen war. Er wollte es auch gar nicht wissen. Als sie ihn in der Obhut der Dienststelle wussten, holten sie auch Anna Kandras. Auch sie stellte keine Fragen und fuhr stumm mit ihnen. Lydia bat darum, Fotos von ihnen fertigen zu dürfen, was ihr erlaubt wurde. Sie wunderte sich über das unaufgeregte Verhalten der beiden. Erst nach genauester Beobachtung stellte sie doch eine kleine Aufgeregtheit fest. Vor allem bei diesem Kehrenbroich. Das war aber normal für Menschen, deren Lebensführung nicht zu regelmäßigem Polizeikontakt führte. Entweder war den beiden diese stoische Art und Weise gegeben oder sie verfügten über ein einigermaßen ruhiges Gewissen.
Lydia druckte die Fotos aus und verschwand von der Dienststelle, nicht ohne Funk noch ins Zimmer zu rufen, dass sie sich bald wieder melden wolle. Der machte sich über die Kiste mit den Unterlagen von Kandras her, die ihm Lydia gezeigt hatte, während Gommert mit einem anderen Kollegen Kehrenbroich und Anna Kandras Gesellschaft leistete. Die beiden waren ja schließlich nicht festgenommen worden und in eine Zelle wollte und durfte man sie nicht sperren. Kimmel schwirrte am Gang auf und ab, schaute zu Funk ins Zimmer, fragte Gommert, ob alles passte, telefonierte mit der Staatsanwaltschaft und hoffte, wie auch Gommert, dass Schielin bald erscheinen würde.
Dann kehrte Stille ein. Wer sprach, tat es halblaut. Wer über den Gang lief, sparte die Dielen aus, die ein lautes Knarren durch den Gang schickten. Allen war die Spannung anzumerken.
Während Lydia mit Fotos und einer Telefonliste losgezogen war, ohne jemandem zu sagen, was sie genau vorhatte, war Schielin auf dem Weg zu Hoibner. Zuerst hatte er im Grundbuchamt angerufen und erfahren, dass Hoibner sich krank gemeldet hatte. In einem Nebensatz hörte er, dass dies in letzter Zeit wohl die Regel darstellte. Da die anderen mit ihren Aufträgen gebunden waren, holte er sich eine Streife zur Verstärkung. Das war ihm auch aus einem anderen Grund recht. Er wollte Hoibner einen großen Bahnhof bereiten. In dessen Nachbarschaft durfte durchaus bekannt werden, dass da was im Busch war. So etwas bereitete das Feld für eventuell notwendige Befragungen, lockerte die Zunge, fast wie Alkohol. Das zumindest war Schielins Erfahrung. Er fuhr voraus, gefolgt vom Streifenwagen. Die schwarze Limousine stand nach wie vor in der Einfahrt und verstellte das geschlossene Garagentor. Unwahrscheinlich, dass niemand zu Hause war. Er klingelte so heftig, dass sich das sanfte Dingdong im Nachklang verfing. Mal Leben in die Puppentube bringen, dachte Schielin zornig. Als daraufhin nichts zu hören war trommelte er ein paar Mal mit der Faust an die Kunststofftür. Hoibner sollte merken, dass es ernst wurde. Zaghaft öffnete sich die Tür. Frau Hoibner, blass und mit verweintem Gesicht stand unsicher im Türrahmen. »Wir möchten zu Ihrem Mann«, sagte
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