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Galgeninsel

Galgeninsel

Titel: Galgeninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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befühlte unkonzentriert die glatte Oberfläche einer CD-Hülle und sah sich um. In einem ersten Reflex fragte er sich, wie jemand so leben konnte. Wie war jemand beschaffen, der es in einer derart kalten Umgebung aushielt? Kein Wunder, dass es keine Bezugspersonen gab. Was Schielin hier vorfand, hatte nichts mit einem Ausdruck avantgardistischer Reduktion zu tun oder dem existenzialistischen Ansinnen einer Wohn- oder Lebenskultur. Das Wenige und Teure, das hier verloren stand, strahlte ein Armseligkeit aus, die Schielin selten so erlebt hatte. Kein Bild an der Wand, nichts, was mit der Person Kandras in Zusammenhang zu stehen schien. Keine Fotos. Nicht mal von der Tochter. Nirgends war auch nur ein Buch zu entdecken. Er ging den Gang zurück und sah ins Schlafzimmer. Ein überbreites französisches Bett mit Chromrahmen dominierte den Raum. Gegenüber eine breite Front verspiegelter Schranktüren, in denen sich das Zebramuster der Tagesdecke vervielfachte. Schielin öffnete die Schranktüren. Schwarze, schwarzgraue und dunkelgraue Anzüge. Weiße Hemden. Blaukarierte Hemden. Blaugestreifte Hemden.
    Er ging ein Zimmer weiter. Das einzige, in dem Teppich verlegt war. Auf dem Schreibtisch stand ein Notebook. Daneben lag ein Terminplaner. In den Regalen standen Aktenordner und Gesetzessammlungen. Schielin packte Notebook und den von zartem schwarzem Leder umhüllten Planer unter den Arm und ging wieder nach unten.
    »Wollte Kandras hier ausziehen?«
    Die Sekretärin verneinte schweigend.
    »Schaut irgendwie armselig aus da droben«, stellte Schielin nüchtern fest und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung zur Wendeltreppe.
    Die Putzfrau zuckte kommentarlos mit den Schultern und kaute ihren Kaugummi. Es sah blöde aus.
    Schielin wandte sich an die Sekretärin. »Gab es in letzter Zeit etwas Außergewöhnliches? Anrufe, Besucher oder so?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Die letzten Wochen war es Gott sei Dank friedlich.«
    Schielin legte den Kopf zur Seite. »Was heißt, die letzten Wochen? Was war denn davor?«
    Sie rollte die Augen. »Na da war dieser Blödmann, der sich wegen seiner Bauplätze so aufgeführt hat.«
    Die Putzfrau unterbrach das Kauen. Schielin verzichtete auf Höflichkeiten. »Geht es etwas genauer, bitte. Wer war der Blödmann? Welche Bauplätze?«
    Sie sah ihn beleidigt von unten herauf an und wackelte ein wenig mit dem Kopf. »Mondringer hieß er. Der hat hier ganz schön Terz gemacht. Er hat angerufen, war öfters selbst hier und hat rumgeschrien. Einmal habe ich sogar die Polizei geholt, als Ra … , also Herr Kandras, nicht hier war …«
    Schielin vermied es, sie anzüglich anzulächeln, als ihr der Vorname beinahe herausgerutscht wäre, und er wollte sie nicht unterbrechen
    »… aber der Mondringer hat sich ja totgefahren, also ich meine, der ist ja vor, so zwei Wochen ists her, da ist der ja in den Laster gefahren. Droben auf der B31. Tot. Ja.«
    »Und seitdem ist Ruhe«, ergänzte Schielin.
    »Ja«, stellte sie trocken fest.
    »Weswegen war dieser Mondringer denn so sauer auf Kandras?«
    »Es gab Schwierigkeiten bei einem Projekt«, sagte sie emotionslos und fügte etwas hektisch und rechtfertigend hinzu: »Aber wir konnten nichts dazu.«
    »Mhm. Und worum ging es da genau?«
    »Ganz normales Ding eigentlich. Der Mondringer hat sich an einem Immobilienprojekt beteiligt. Er hatte das Grundstück für ein Premium-Resort erworben und unsere Firma war für den Rest des Projektes zuständig.«
    Schielin verzichtete darauf, sie danach zu fragen, was unter einem Premium-Resort zu verstehen war. »Und wo gab es Schwierigkeiten?«
    »Auf unserer Seite nicht. Der Mondringer hat irgendwelche Unterlagen nicht beigebracht, weswegen das Amt … also das Grundbuchamt, die notwendigen Eintragungen nicht vornehmen konnte. Das hat sich dann halt alles verzögert … so eben.«
    »Und deswegen hat er dann hier Rabatz gemacht?«, fragte Schielin ungläubig.
    Jetzt zuckte sie die Schultern. »Das war ein völlig Irrer«, und etwas leiser danach, »es heißt ja auch, der sei absichtlich in den Laster gefahren. Ich trau es ihm zu. Obwohl ihm … Herr Kandras noch geholfen hat. Finanziell.«
    »Wie … geholfen? Und welcher Laster?«
    »Die Details kenne ich nicht, aber Herr Kandras hat dem Mondringer irgendwie aus der Patsche geholfen.«
    »Aus welcher Patsche denn?«, fragte Schielin ungehalten.
    »Ja. Der Mondringer hat das Geld aus dem Grundstücksverkauf dringend gebraucht, weil er wohl andere

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