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Galgeninsel

Galgeninsel

Titel: Galgeninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Sitzplatz auf den Stühlen zu schaffen, indem er die darauf liegenden Zeitungen, Bücher, Taschen und T-Shirts einfach in die Ecke schmiss.
    »Sicher. Klavierkonzert Nr. 25, Köchelverzeichnis 503, Martha Argerich, Concertgebouw, Neunzehnhundertachtundsiebzig.«
    »Aha«, sagte Lydia, »ich dachte bei dir gibt’s nur Rainbow, Led Zeppelin, Whitesnake und Black Sabbath. «
    Er sah auf und lachte mit diesem ratternden, boshaften, ein wenig krank klingenden Brusttönen. »Na ja. Ab und zu möchte ich meinen Großvater schon mal wieder hören. War ein Klassetyp.«
    Lydia war begeistert. »Das hast du mir ja noch nie erzählt!«
    Martin nickte ernst.
    »Was hat er gespielt? Geige, Cello, Oboe? Das Klavier kann es ja nicht gewesen sein.« Sie überlegte, als er sie ansah. »Dirigent! Nein. Dein Großvater war doch nicht Dirigent?«
    Er schüttelte den Kopf und ging zum CD-Player. »Ich spiel dir die Stelle vor. Pass auf!«
    Er laserte zurück, suchte jene Stelle und meinte dabei selbstvergessen: »Erster Satz, gleich am Beginn eigentlich. Hör gut hin!«
    Lydia hörte genau hin. Martha Argerich spielte, mäßig, fast unhörbar dahinter das Orchester, eine kurze Pause und dann ein Crescendo. Martin sah sie an und blickte enttäuscht. »Hast du es nicht gehört?«
    Sie verneinte irritiert »Was denn?«
    »Gut. Macht nix. Dann eben noch einmal. Ich kann das immer wieder hören.«
    Wieder erklang das Spiel Martha Argerichs, das Orchester zurückgenommen und kurz vor dem Crescendo sagte er »Da! Jetzt gleich!«
    Und tatsächlich, sie hörte es. Ein lauter, beherzter Huster.
    Sie sah ihn böse an. »Du verarschst mich doch!«
    Er blieb ganz ruhig und ging hinüber zum Tisch. »Nein. Wieso. Mein Großvater war ein begnadeter Pausenhuster. Ich finde das irre, du. Der ist echt nach Amsterdam, nach München, nach Wien gefahren, nur um in Konzerten einen Huster abzusetzen, und zwar so, dass man den immer hörte und niemals herausschneiden konnte. Genial. Finde ich schon.«
    Lydia stand da, mit geneigtem Kopf. Sie sah sprungbereit aus. »Du verarschst mich.«
    »Nein«, beteuerte er, jetzt fast ein wenig beleidigt, »Nein. Ich habe ja noch’ was da. Brahms, Symphonie Nummer vier, Wiener Philharmoniker, nein Münchner Rundfunkorchester, unter Carlos Kleiber …«
    Als er dabei Anstalten machte zurück zum CD-Player zu gehen, stoppte sie ihn mit einer energischen Handbewegung.
    »Bitte verschone mich mit dem Husten deines Großvaters, ja! Ich bin dienstlich hier.«
    Er sah sie entsetzt an. »Aber ich bitte dich. Das bisschen Gras neulich. Spinnst du?«
    Sie stieß ihn gegen die Schulter und erschrak, als sie blanke Knochen fühlte. »Also, dass du zu viel säufst habe ich dir schon einige Male gesagt. Aber bitte nerve mich nicht mit dieser idiotischen Kifferei, ja. Ich brauche dich übrigens als Begleiter.«
    »Mich?«, fragte er, deutete auf sich, wobei er einen zweifelnden Gesichtsausdruck aufsetzte. Aber dann fragte er: »Hat es was mit dem Toten zu tun?«
    Sie nickte und war etwas beruhigt. Er scheint noch ein paar graue Zellen zu besitzen.
    »Wow! Und du nimmst mich mit?«
    Sie nickte stumm.
    Er schien verunsichert. »Was muss ich tun? Was Illegales?«
    Lydia stöhnte gelangweilt. »Du sollst einfach mitkommen, die Klappe halten … und keine Storys mehr von Opa und Oma, klar?«
    »Klar!«
    Er war tatsächlich aufgeregt und es dauerte bis er seine Jacke gefunden hatte, die Taschenlampe, das Taschenmesser …
    Als seine Ausrüstung beieinander war, gingen sie die Grub entlang bis zum Schulplatz, dort nach rechts, unter der Heidenmauer hindurch und hinüber zum Parkplatz vor der Inselhalle. Kaum jemand begegnete ihnen und Lydia wunderte sich, dass so wenige Leute unterwegs waren. Sie wusste ungefähr wo sich Hoibners Boot befinden musste und wurde schnell fündig. Sie bat Martin, innerlich grinsend, aber mit ernster Miene, gut auf das Boot aufzupassen, während sie das Auto mit der Ausrüstung holen wollte. Es war ihm sichtlich unangenehm, und er, der Rocker, musste vor Aufregung erst einmal eine Zigarette drehen.
    Später, als er beobachtete, wie sie mit Plastiküberzügen an den Schuhen und bewehrt mit Handschuhen, Stück für Stück des Bootes unter die Lupe nahm, hier und da etwas versprühte oder bestrich, da war er mächtig beeindruckt und vergaß derweil sogar das Rauchen.
    *
    Mondringers Hof lag am Dorfrand. Eigentlich lagen alle Gehöfte von Unterreitnau irgendwie am Rand. Es war ein Bauernhof, der aussah, als hätte man

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