Galgentochter
ist. Ich werde auch nicht jünger.»
Das Mädchen gehorchte und ließ sich begaffen, befühlen.
«Sieh an, bei dir sprießt es ja bald.» Sie lachte keckernd, fingerte an den Brustknospen des Mädchens herum, die seit einiger Zeit zu schwellen begonnen hatten.
Das Mädchen drehte sich weg. Die Mutter lachte nur noch lauter. «Brauchst gar nicht erst anfangen, dich zu schämen. Scham ist ein unnützes Gefühl und macht nicht satt.» Sie nahm das alte Kleid, hielt es an den Körper des Mädchens. «Mal sehen, was wir dir daraus machen.»
«Ich will das Kleid nicht», flüsterte das Mädchen. «Nicht dieses.»
«Nicht dieses», äffte die Mutter es nach. «Welches darf esdenn dann sein? Eins aus Brokat vielleicht? Oder wäre der Prinzessin englisches Tuch lieber?»
Mit gesenktem Blick schwieg das Mädchen.
«Ich habe dich etwas gefragt», brüllte die Mutter und rüttelte an den Schultern des Mädchens.
«Nicht dieses Kleid», wiederholte das Kind. «Es stinkt!»
Obwohl die letzten beiden Worte nur ein Hauch waren, hatte die Mutter sie trotzdem gehört.
Sie stemmte die Arme in die Hüften, holte ganz tief Luft, dann begann sie zu schreien, während sie gleichzeitig auf das Mädchen einschlug. «Bastard, verhurter, du sagst mir, dass ich stinke, was? Du? Ich bringe dich um, ich bringe dich um.»
Die Fäuste der Mutter trommelten auf den Kopf des Mädchens. «Ich werde dich Achtung lehren, gottloses Balg!»
Die Fäuste trafen nun die Brüste des Mädchens, das ganz eng die Schultern zusammenzog und das Kinn senkte, so weit sie es vermochte. Die Arme hielt sie schützend über ihren Kopf.
Plötzlich hörte die Mutter auf. «Du sollst die Mutter ehren, steht in der Bibel», sprach sie, und ihre Stimme war ruhig.
Das Mädchen bekam Angst. Wenn die Mutter schrie und schlug, so war das nicht angenehm, aber wohlbekannt. Diese ruhige Stimme aber, dieses merkwürdige kleine Lächeln, welches über das Muttergesicht huschte, machte sie bange.
Jetzt nahm die Mutter das nackte Kind, hielt es mit einem festen Griff im Nacken, schob es aus der Kammer und schleifte es die Stiege hinunter in die Gaststube. Dort saßen die anderen Weiber hinter ihren Bierkrügen, obwohl es noch nicht einmal Frühstück gegeben hatte. Bei einerwar das ganze Gesicht rot verschmiert, eine andere hatte rissige Lippen und eine Stimme, die ganz dunkel war. Manche waren noch nicht im Bett gewesen, standen auch jetzt nicht auf, sondern lehnten sich mit verschränkten Armen zurück, gespannt auf das Schauspiel.
«Guck dir einer unsere Kleine an. Ihre Zeit kommt bald. Oh, das wird ein Fest», rief eine gackernd.
Eine andere ließ den Blick am nackten Körper des Mädchens auf und ab wandern. «Lasst sie gehen. Sie ist noch nicht so weit. Und ich hoffe, sie wird es niemals werden. Wäre sie meine, ich würde sie weggeben, damit was Rechtes aus ihr wird.»
Die Mutter schnaubte, widersprach aber nicht. Noch immer hielt sie den Nacken des Mädchens umklammert und zerrte es zu einem gefüllten Eimer, der neben dem Herd stand. Fettaugen schwammen auf der trüben Brühe, einzelne Bröckchen und brauner Schaum. Ein säuerlicher Gestank stieg davon empor, und das Mädchen wusste, dass mit diesem Eimer das ganze Haus gewischt worden war.
Die Mutter packte noch fester zu, trat der Tochter von hinten in die Knie, dass sie einknickte, und drückte ihren Kopf in die Brühe. Ihr Körper zuckte, wand sich, doch die Mutter hielt sie in einer Klammer. Lange, sehr lange. Sie bekam keine Luft, das Wasser brannte ihr in den Augen, drang in den Mund. Sie musste husten, doch unter Wasser ging das nicht. Sie hätte gern geschrien, doch auch das war nicht möglich. So schloss sie endlich die Augen und wartete darauf, dass Gott käme, um sie zu holen.
Doch Gott kam nicht.
Endlich zog die Mutter das Mädchen hoch. Das Mädchen spuckte, schluckte, hustete, war kaum zu Atem gekommen, da drückte die Mutter es wieder in die trübe, stinkendeBrühe. Und wieder ließ Gott auf sich warten. Auch beim dritten Mal kam er nicht.
Dann erst ließ die Mutter von ihr ab.
«Jetzt sag mir, wer hier stinkt», forderte sie.
Das Mädchen stand nackt und besudelt unter den Blicken der anderen, sah das trübe Wasser über ihre Brüste rinnen. Sie spürte den sauren und zugleich beißenden Geschmack in ihrem Mund und würgte. Aus ihren Haaren rann das Wasser. Die Nase des Mädchens war ganz voll von diesem Geruch. Der ganze Körper war überzogen von der Jauche. Ihre Seele aber war leer
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