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Galgentod

Galgentod

Titel: Galgentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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die Tür zu, sperrte auf und ging hinein. Die Ruhe, die ihm in Inneren entgegenschlug, war eine Wohltat. Schnell eilte er durch den langen, schmalen Gang, der zu seinem Leidwesen an der äußeren Glaswand zum Sportplatz entlang verlief, so dass die Schüler ihn beobachten konnten. Die Sonne verstärkte die Hitze unter dem Glas. Laug schwitzte. Lag es an dem Gefühl, beobachtet zu werden oder daran, dass die Sonne so unbarmherzig brannte?
    Er war froh, endlich in den dunklen Räumen untertauchen zu können, wo ihn niemand mehr sah. Dort steuerte er das Kämmerchen an, in dem er sich regelmäßig mit dem Hausmeister traf.
    Außer heute.
    Was soll’s, dachte sich Günter Laug, nahm die erste Flasche aus dem Kühlschrank und trank sie in großen Schlucken leer. Sofort fühlte er sich besser. Der Schock über den grässlichen Anblick des Kollegen rückte endlich in weite Ferne.

Kapitel 11
    Jürgen Schnur und Erik Tenes trafen vor den Kollegen im großen Sitzungssaal ein. Sie setzten sich ans Kopfende, nahmen die wenigen Papiere, die vom Sekretariat über den Mordfall zusammengestellt worden waren, und warteten.
    In die Stille fragte Schnur: »Hat Anke sich schon bei dir gemeldet?« Mit dieser Frage traf er voll ins Schwarze. Erik spürte, wie alle seine Emotionen, die er in letzter Zeit zu verdrängen versucht hatte, wieder hochkamen. Anke Deister, die Kollegin, die mit ihm im Team arbeitete, die für Erik mehr war als nur eine Arbeitskollegin. Sie ermittelte in Frankreich, ohne ihn daran teilhaben zu lassen. Arbeitete dort mit einem Commandant aus Straßburg zusammen, was in Erik eine heftige Eifersucht auslöste, über die er nicht sprechen wollte. Zu viele alte Wunden könnten aufgerissen werden.
    »Nein«, gab Erik zu.
    »Das verstehe ich nicht«, wunderte sich Schnur. »Ich dachte immer, ihr beiden versteht euch.«
    »Dachte ich auch«, grummelte Erik und bemühte sich, seine wahren Gefühle vor seinem Vorgesetzten zu verbergen.
    Doch Schnur wusste es bereits. Er war ein Fuchs. Ihm konnte Erik so schnell nichts vormachen.
    »Das ist natürlich ungeschickt, denn ich habe darauf gebaut, dass Anke dich immer auf dem Laufenden hält, was in Frankreich passiert.«
    Erik schluckte schwer. Genügte es nicht, dass er selbst enttäuscht war? Musste Schnur noch zusätzlich seine Enttäuschung über ihn ausdrücken? Seit Ankes Fortgang nach Frankreich fühlte sich Erik innerlich zerrissen. Die Frage, was er falsch gemacht hatte, quälte ihn. Von Anke hatte er nicht den geringsten Hinweis bekommen, was sie zu diesen Ermittlungen ins Ausland getrieben hatte.
    Ein Klopfen an der Tür unterbrach die unangenehme Situation. Erleichtert schaute Erik auf und sah eine fremde Frau den Raum betreten. Zu seinem Erstaunen reagierte Schnur auf sie, als würde er sie schon lange kennen. Damit schien für den Augenblick das leidvolle Gespräch vergessen.
    »Andrea Westrich«, rief Schnur aus, erhob sich und ging auf die Frau zu. Sie war groß und kräftig. Ihre dunklen Haare wurden von einigen grauen Strähnen durchzogen. Große, mandelförmige Augen strahlten Ruhe und Zuversicht aus.
    Erik beobachtete sie von seinem Platz aus und musste sich eingestehen, dass ihm diese Frau auf Anhieb sympathisch war.
    »Ja, inzwischen heiße ich tatsächlich wieder Westrich«, erklärte die Frau lachend.
    »Was soll das heißen?«
    »Ich war mal verheiratet und bin zu meinem Ehemann nach Berlin gezogen. Bestimmt zehn Jahre habe ich es mit ihm in der großen Stadt ausgehalten. Dann wurde meine Ehe glücklich geschieden, ich nahm meinen Mädchennamen wieder an und bin ins Saarland zurückgekehrt«, erklärte die Frau mit warmer, herzlicher Stimme.
    »Tja! Wir Saarländer können einfach nicht von unserem kleinen Bundesland lassen.«
    »Meine Tochter ist bei ihrem Vater in Berlin geblieben«, fügte Andrea an. Ihre Stimme bekam dabei einen wehmütigen Klang. »In Berlin geboren, fühlte sie sich wohl wie eine echte Berlinerin.«
    Schnur nickte nur, weil er nicht wusste, was er dazu sagen sollte.
    »Was ist aus deinen großen Plänen geworden?«, fragte Andrea, um die peinliche Stille schnell wieder zu unterbrechen. »Wolltest du nicht mal zum FBI nach Quantico?«
    Erik schaute interessiert auf.
    Schnurs Gesicht rötete sich, als er antwortete: »Ja ja! Unsere Träume … Sie haben zumindest den Vorteil, dass wir das Beste aus unserer Situation machen. Jetzt bin ich Dienststellenleiter und damit auch zufrieden.«
    »Was macht deine Familie?«
    »Meine Tochter

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