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Galgentod

Galgentod

Titel: Galgentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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draußen gewährte die strenge Lehrerin ihnen keine Freiheiten. Mathilde Graufuchs’ Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Aber die Pflicht ging vor, sagte sie sich immer wieder. Das Lehrprogramm hatte Vorrang. Die Kinder mussten zur Disziplin erzogen werden.
    »Wir gehen jetzt in Reih und Glied in diese Richtung!« Sie zeigte auf einen Waldweg, der außer Bäumen und Sträuchern keine Besonderheiten aufwies.
    Der Marsch ging los. Schon nach der ersten Kurve trafen sie auf einen Holzschuppen. Die Kinder eroberten den Verschlag, doch er war leer. Enttäuscht setzten sie ihren Weg fort. Schon nach der nächsten Kurve sahen sie sie.
    Die Teufelsburg … oder das, was noch davon übrig war.
    Ein großes schmiedeeisernes Gittertor versperrte den Weg. Links daneben führte ein kleiner Eingang zum Kassenhäuschen. Dort meldete sich Mathilde Graufuchs mit ihrer Klasse an.
    An der Kasse saß ein Mann, dessen Namensschild ihn als Fred Recktenwald auswies.
    Mathilde Graufuchs schaute in sein Gesicht. Er trug seine grauen Haare viel zu lang. Sie fielen ihm in die Augen, sodass sie ihn nicht richtig erkennen konnte. Und doch überkam sie das Gefühl, diesen Mann zu kennen.
    »Machen Sie die Führung?«, fragte sie.
    »Ja!«
    Damit war der erste Dialog beendet.
    Die Schulklasse hatte sich bereits an der Lehrerin vorbeigedrängelt und rannte wild schreiend auf die alte Burgruine zu. Die Sonne stand hoch am Himmel. Es versprach, ein heißer Tag zu werden. Mathilde Graufuchs schnaufte und fächelte sich Luft zu. Sie spürte Fred Recktenwalds prüfende Blicke nicht.

Kapitel 9
    Bunte Farben sprangen sie von den Wänden an. Dazu große Augen von Tierköpfen, umgeben von Menschen, Gesichtern, Häusern und Blumen. Chagall.
    Erst bei genauem Hinsehen erkannte Schnur, dass es Reproduktionen waren.
    » Ich und das Dorf «, zitierte der Kriminalkommissar zur Begrüßung.
    Der Schulleiter Dr. Norbert Franzen hob seinen schmächtigen Körper aus dem bequemen Stuhl, um die beiden Herren zu begrüßen. »Ein Kriminalkommissar mit Allgemeinbildung – mit Allgemeinbildung«, näselte er in einem Tonfall, der in Erik sofort Antipathie auslöste.
    »Ich bewundere die Kunst von Chagall«, gab Schnur zu. »Aber deshalb sind wir nicht hier.«
    »Das dachte ich mir schon – das dachte ich mir schon!« Dr. Franzen bot den Kommissaren die Plätze vor seinem Schreibtisch an.
    »Wir benötigen Informationen über den Lehrer Bertram Andernach«, begann Schnur.
    »Bertram Andernach«, plapperte der Schulleiter nach. »Ein guter Mann!«
    »Wie lange war Bertram Andernach schon an dieser Schule beschäftigt?«
    »War – wie Sie das sagen! Wie Sie das sagen!« Dr. Norbert Franzen schüttelte verständnislos seinen Kopf. »Schon seit dreißig Jahren. Ohne ihn ist diese Schule kaum denkbar, so viel hat er schon geleistet. Und jetzt dieses Ende … – dieses Ende …« Eine pietätvolle Pause entstand.
    Schnur spürte, dass der Schulleiter zu zart besaitet war, um ein solches Verbrechen in seinem dienstlichen Umfeld verkraften zu können. Der hagere Mann zappelte unruhig auf seinem Stuhl. Seine blasse Gesichtsfarbe wich einem ungesunden Grau. Um einen Notfall zu vermeiden, ließ Schnur dem Mann etwas Zeit. Als er glaubte, großzügig genug gewesen zu sein, fragte er weiter: »Wer hat einen Schlüssel zu dem Schulgebäude?«
    Dr. Franzen überlegte eine Weile, bis er aufzählte: »Der Hausmeister und ich! Der Hausmeister und ich – ja.«
    »Und wie ist Bertram Andernach heute Nacht in das Gebäude gelangt?«
    Wieder entstand eine Pause. Dieses Mal zerrte sie jedoch an Schnurs Geduld. Vor ihm lag jede Menge Arbeit. Da war es nicht gerade förderlich, auf jede Antwort mehrere Minuten warten zu müssen.
    »Er hatte auch einen Schlüssel. Das fällt mir jetzt wieder ein. Er hatte auch einen Schlüssel«, berichtigte Dr. Franzen seine vorherige Aussage. »Die Lehrer, die sozusagen schon zum Inventar dieser Schule gehören, genießen großes Vertrauen – großes Vertrauen. So kam es, dass ich Bertram Andernach einen Schlüssel für die Schule gegeben habe.«
    »Und wem noch?«
    »Denjenigen, die auch schon lange hier sind – lange hier sind.«
    »Können Sie mir sagen, welche Kollegen schon lange hier arbeiten?« Schnurs Beherrschung schwankte. Die Wiederholungen gingen ihm auf die Nerven.
    »Nicht mehr viele – nicht mehr viele«, antwortete der Schulleiter. Er wirkte von Frage zu Frage erschöpfter. »Ich könnte sie an einer Hand aufzählen. An

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