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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian McGilloway
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drin liegt eine Zeitung. Gehört die Ihnen?«
    »Ja«, sagte er und blinzelte verständnislos.
    Der Schlüssel steckte noch, als wir wieder zurück zur Vorderseite des Hauses kamen. Ich fragte Paddy Hannon nach dem Stein, von dem McLoone gesprochen hatte. Neben der Tür lag ein umgedrehter Hohlziegel.
    »Wir lassen den Schlüssel da liegen«, erklärte Paddy, »unter dem Stein. Damit die Arbeiter rein- und rauskönnen – und ich nicht jedes Mal aufschließen muss, wenn einer von ihnen aufs Klo muss.«
    »Wer weiß davon?«, fragte ich.
    »Ich … der Immobilienmakler … so ziemlich alle, die für mich arbeiten. Und die Subunternehmen. Und ich vermute mal jeder, der jemals ein Haus von mir gekauft hat; ich deponiere bei jedem Haus, das ich baue, einen Schlüssel unter einem Stein. Für den Fall, dass die neuen Eigentümer rein wollen, um die Fenster auszumessen oder so. Kulanzsache, verstehen Sie?«
    Während wir uns unterhielten, trat einer der Männer von der Spurensicherung aus dem Haus und kniff wegen des hellen Sonnenlichts sofort die Augen zusammen. Er trug einen blauen Papieranzug und Überziehschuhe aus Plastik; in der Hand hielt er einen durchsichtigen Beweismittelbeutel, in dem sich etwas Fleischfarbenes befand.
    »Hab was gefunden, Sir. In der Nähe der Spüle. Wirkt ziemlich frisch.«
    Ich nahm den Beutel und betrachtete den Inhalt, ein abgerolltes, aber unbenutztes Kondom. »Liebe Güte, das ist ’ne echte Premiere«, bemerkte Paddy. »Mir ist in Neubauten schon alles Mögliche untergekommen, aber noch nie ein unbenutzter Präser.«
    »Fingerabdrücke?«, fragte ich den Spusi.
    »Zu viele. Mehrere Dutzend unterschiedliche. Das Kondom haben wir noch nicht überprüft, Sir. Machen wir in der Zentrale.«
    Die junge Frau war rasch identifiziert. Als wir wieder aufs Revier kamen, hatte Burgess bereits die einzelnen Garda-Stationen in der Gegend und die nordirischen Polizeiwachen jenseits der Grenze abtelefoniert und nach vermisst gemeldeten Personen gefragt. Um die Mittagszeit herum glaubten wir, einen Namen zu haben: Karen Doherty.
    Ihre Schwester Agnes hatte sie am Vormittag in Strabane als vermisst gemeldet. Die Leiche hatte sie bereits identifiziert, und nun stand sie bei uns vor dem Krankenhaus von Letterkenny. Mein Gegenstück beim PSNI , Inspector Jim Hendry, hatte sie begleitet. Er hatte schweigend neben Agnes gestanden, die Hand leicht auf ihren Arm gelegt, während man ihr ihre Schwester gezeigt hatte. Karen war vor der Identifizierung gewaschen worden, ihr Gesicht wirkte nun trotz ihres gewaltsamen Todes seltsam friedlich. Ein Mitarbeiter des Leichenschauhauses hatte das Tuch nur bis unters Kinn herabgezogen, sodass Agnes die Prellungen, mit denen der gesamte übrige Körper bedeckt war, nicht sehen konnte. Nur auf Karens Wange war ein Bluterguss erkennbar.
    Man hatte ihr die Haare gewaschen und aus dem Gesicht gekämmt, sodass ihre hohe Stirn frei lag. Ihre Gesichtszüge wirkten ein wenig unproportioniert; die Nase war lang und dünn, der Mund klein, die Lippen dünn und bleich. Die Augen waren geschlossen, als wir sie sahen, das Gesicht von sämtlichen Kosmetika gereinigt.
    Ihre Schwester wies viele der genannten Merkmale ebenfalls auf, allerdings war ihr Gesicht schmaler, der Mund ein wenig voller. Sie beobachtete, wie ich mich bemühte, mir eine Zigarette anzuzünden, und bat dann auch um eine.
    »Hab’s vor Jahren drangegeben«, erklärte sie, als ich sie ihr anzündete. »Als ich schwanger wurde.«
    »Mädchen oder Junge?«, fragte ich.
    »Junge. Seanny. Karen war seine Patin.«
    Auf unabsehbare Zeit würde diese Frau unwillkürlich in jedem Gespräch auf ihre Schwester Karen zurückkommen.
    »Sie war alles, was ich hatte, bis auf ihn. Unsere Eltern sind gestorben, als Karen noch ein Teenager war. Ich habe sie bei mir aufgenommen, mich um sie gekümmert.«
    »Wie weit waren Sie im Alter auseinander?«, fragte ich, denn Agnes Doherty hatte offensichtlich das Bedürfnis zu reden. Es war aber auch wichtig, dass ich Karen verstand, dass ich sie kennenlernte, wenn ich herausfinden wollte, wie und warum sie gestorben war.
    »Acht Jahre. Ich wurde schwanger, ging von der Schule ab, bekam ein Baby. Dann bin ich zu Hause ausgezogen. Karen blieb allerdings. Und dann sind unsere Eltern gestorben.«
    »Wie?«
    »Bei einem Autounfall«, erwiderte sie ohne Umschweife und hob das Kinn, als ob sie Zigarettenrauch in die Augen bekommen hätte.
    »Tut mir leid«, sagte ich unnötigerweise, doch die Frau tat

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