Galgenweg
mich an, als ich öffnete.
»Was?«, fragte ich zurück. Ich begriff nicht, was los war.
»Sie können froh sein, wenn ich Sie nicht festnehme«, sagte er. »Ziehen Sie sich an.«
»Mich festnehmen? Weswegen?«, fragte ich und dachte sofort an meine kleine Manipulation in Deckos Wagen. Deswegen doch gewiss nicht.
»Daniel McLaughlin wurde gestern Nacht ermordet«, erklärte er. »Und Sie waren als Letzter in seinem Zimmer.«
»Was?«, stammelte ich.
»Irgendjemand hat ihm die Kehle durchgeschnitten«, sagte Dempsey. »Jetzt ziehen Sie sich an, und dann können Sie mir unterwegs schon mal erklären, was Sie da gestern Nacht allein wollten.«
Unterwegs nach Letterkenny erklärte ich ihm alles: meine Schlussfolgerung, dass McLaughlin aufgrund seines Alters gar nicht der Castlederg-Bande angehört haben könne, und meinen Verdacht, dass jemand ihn für sich über die Klinge springen lassen wolle. Ich erzählte Dempsey, ich hätte ein wenig Druck auf McLaughlin ausgeübt, indem ich diesem zu bedenken gegeben hätte, dass sein Auftraggeber versuchen könnte, ihn aus dem Weg zu räumen. Und ich fügte hinzu, dass McLaughlin nicht einmal mit der Wimper gezuckt habe.
»War der Wachposten vor der Tür, als Sie gingen?«, fragte Dempsey.
Es war mir unendlich peinlich. »Nein, der war einen Tee trinken; ich dachte, er würde sicher bald wiederkommen.«
»Er ist in der Cafeteria eingeschlafen. Eine Putzfrau hat ihn um vier Uhr morgens geweckt. Da war McLaughlin schon tot. Eine Nachtschwester hat ihn gefunden, bevor Ihr Uniformierter zurück war.«
»Es tut mir leid«, stammelte ich.
»Das reicht diesmal vielleicht nicht«, bemerkte Dempsey.
Als wir das Krankenhaus erreichten, stand Deegan im Foyer und federte erregt auf und ab.
»Wir haben jemanden, Sir«, sagte er zu Dempsey, als wir zur Eingangstür kamen. »Haben ihn gerade hier auf dem Gelände geschnappt; das Messer hatte er noch in der Tasche. Er ist da drüben.«
Wir folgten Deegan zum Büro des Krankenhausportiers. Drinnen hatten sich diverse Gardai um einen Mann versammelt, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag, während Meaney ihm ein Knie in den Rücken presste und ihm Handschellen anlegte. Ein, zwei Meter daneben lag ein Brotmesser. Als man den Mann hochzerrte, erkannte ich erschüttert Rebecca Purdys Vater. Er fing meinen Blick auf und hielt ihn ganz kurz fest, dann senkte er beschämt den Kopf. »Es tut mir leid«, sagte er.
Als man ihn an mir vorbei hinaus zum Streifenwagen führen wollte, sah er mich erneut an, flehentlich. Im Foyer hatten sich Schaulustige versammelt. Ich stürzte hinterher.
»Mr Purdy?«, sprach ich ihn an.
»Was hätten Sie getan?«, rief er mir zu, als man ihn durch die Tür schob.
»Was zum Teufel hat er denn damit gemeint?«, fragte Dempsey ein wenig verärgert.
Ich erzählte ihm, wer der Mann war. Warum Purdy das getan hatte, musste ich ihm nicht erklären, und warum er nach der Tat offenbar noch vier Stunden in der Nähe geblieben war, konnte ich ihm nicht erklären. Es sei denn natürlich, er hätte gefasst werden wollen.
Dempsey und ich gingen hinauf in McLaughlins Zimmer. Die Leiche war bereits abtransportiert worden, und auch die Spurensicherung war schon wieder fort. Unter dem Bett war das Blut zu einer dunkelroten Pfütze geronnen, die Betttücher waren steif von bräunlichen Blutflecken. Auf dem Nachttisch standen ein Krug mit Wasser und ein halb leerer Becher, daneben lag McLaughlins Telefon. Seine Kleidung lag ordentlich gefaltet in einer Ecke des Zimmers auf einem Stuhl. Weitere persönliche Gegenstände gab es nicht; keine Karten mit Besserungswünschen, keine Limonadenflaschen oder Obstkörbe. Danny McLaughlin war in einer gänzlich unpersönlichen Umgebung ohne Freunde gestorben.
Und trotz seiner Verbrechen bedauerte ich seinen Tod, ebenso die Todesart und denjenigen, der dafür verantwortlich war.
Ein schriller Warnton, der von McLaughlins Mobiltelefon ausging, schreckte mich aus meinen Gedanken. Als ich es aufklappte, stand im Display: »Batterie fast leer.« Nachdem diese Benachrichtigung erloschen war, erschien eine weitere: »1 Anruf in Abwesenheit«, und die Uhrzeit war mit zwei Uhr zwanzig morgens angegeben.
»Stellt das einen Beweis dar?«, fragte ich Dempsey.
»Ich denke nicht«, sagte er. »Warum?«
»Jemand hat um zwei Uhr zwanzig heute Morgen versucht, ihn anzurufen. Er hat den Anruf aber nicht entgegengenommen.«
»Vielleicht hat er geschlafen«, meinte
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