Galgenweg
Angreifer die Vergewaltigung nicht ausgeführt hatte, »es war, als ob er sein … sein Ding da nicht hinkriegt.«
Einige Minuten später saß ich an der Schwesterntheke in der Mitte der Station, während die junge Ärztin, die Rebecca untersucht hatte, mich über deren Verletzungen unterrichtete. Die erste Frage, die mich interessierte, war die, die Rebeccas Vater mir hatte stellen wollen: War seine Tochter vergewaltigt worden? Der Ärztin zufolge, die sich als Lauren vorstellte, stützten die Befunde die Geschichte des Mädchens. Sie war zusammengeschlagen, doch – der entscheidende Punkt – nicht vergewaltigt worden.
»Allerdings ist sie keine Jungfrau mehr«, sagte Lauren. »Das soll ihr Vater aber nicht wissen. Ist mit irgendeinem Jungen passiert, als sie dreizehn war.«
»Was ist mit ihren Verletzungen? Irgendwas Ernsthaftes?«
»Ernsthaft genug, um sie heute hierzubehalten, denke ich«, sagte sie und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Dabei fiel mir auf, dass sie ihre Fingernägel blau lackiert und winzige Sternchen daraufgemalt hatte.
»Aber sie kommt wieder in Ordnung?«, fragte ich.
Sie nickte und kaute auf ihrem Daumennagel. »Müsste eigentlich.« Sie zögerte, dann fuhr sie fort: »Es ist zwar nicht meine Aufgabe, aber ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die Prellungen etwas Systematisches haben.«
»Und zwar?«
»Die Prellungen von den Fäusten ihres Angreifers liegen ganz dicht beieinander. Und die bläuliche Verfärbung ist ziemlich regelmäßig.«
»Ich bin dankbar für jede Vermutung, Doctor. Sagen Sie mir, was Sie denken.«
Die Ärztin atmete tief durch, als müsste sie sich erst noch dazu durchringen, dann sagte sie: »Ich will Ihren Ermittlungen nicht vorgreifen, aber – diese Faustschläge stammen von jemandem, der es gewohnt ist, wiederholt sehr fest zuzuschlagen. Jemand, der das häufig tut. An Ihrer Stelle würde ich nach einem Boxer suchen.« Sie sah mich mit ausdruckslosem Blick an. »Aber das ist nur meine Meinung.«
»Die ist mir wichtig, Doctor«, sagte ich. »Danke.«
Auf der Rückfahrt erzählte ich Williams, dass die Aussage der Ärztin Rebeccas Geschichte stützte.
»Ist es derselbe Mann?«, fragte sie.
»Derselbe Modus Operandi jedenfalls. Dasselbe Unvermögen, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Allerdings ein anderes Auto.«
»Den Wagen könnte er gewechselt haben«, meinte sie. »Dem Zustand nach zu urteilen, in dem er Karen Doherty liegen gelassen hat, muss sein letztes Auto allein von dem Blut an seiner Kleidung blutverschmiert gewesen sein.«
»Wir arbeiten also mit der Annahme, dass es beide Male dieselbe Person war. Aber wir bleiben für alles offen.«
»In Ordnung. Also, lassen Sie mich nachdenken – kennen wir irgendwelche Boxer?«, fragte Williams mit zornfunkelnden Augen.
»Wir holen ihn auf die Wache. Mal sehen, was er sagt«, stimmte ich zu, obwohl sie den Namen McDermott nicht ausgesprochen hatte. »Aber das Alibi für die erste Tat steht immer noch, Caroline. Und außerdem sieht seine Tätowierung nicht so aus wie die, die Rebecca beschrieben hat.«
»Aber er ist schon mal angezeigt worden, weil er eine Frau zusammengeschlagen hat, und er trainiert täglich dafür, andere Männer zu Klump zu hauen.«
»Stimmt«, sagte ich, ehe sie noch zorniger wurde.
Sie sah mich an, dann wandte sie den Blick ab und sah aus dem Fenster. »Himmel Herrgott!«, stieß sie hervor.
Ich dachte an mein eigenes Kind und konnte ihren Zorn nachempfinden. Und ich dachte über Rebecca Purdys letzte Bemerkung nach. Ich fand es traurig, dass dieses Mädchen, das selbst noch kaum mehr als ein Kind war, Opfer einer Gewalttat geworden war, für deren Beschreibung ihr das adäquate Vokabular fehlte.
Peter McDermott wurde innerhalb der nächsten Stunde verhaftet. Williams bat ausdrücklich darum, ihn persönlich ins Auto bringen zu dürfen. Nun saß er in Trainingshose und T-Shirt in unserem Vernehmungszimmer, breitbeinig, einen Arm angewinkelt und die Hand auf dem Knie, das scheinbar unkontrolliert zitterte. Er habe in einem Boxclub in Ballybofey trainiert, als er abgeholt worden war, erzählte Williams mir. Sie hatte es genossen, ihn vor den anderen Boxern festzunehmen.
Den Tee, den man ihm gegeben hatte, als er hereinkam, hatte er bereits ausgetrunken, und nun pflückte er den Becher auseinander und rollte die Styroporteilchen zwischen seinen dicken Arbeiterfingern zu kleinen Kugeln. Ich bedauerte jeden, der ihm in einem Wettkampf gegenübertreten musste. Noch
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