Galgenweg
ersten Mal sah ich, welche innere Stärke diese Frau besaß, die es ihr ermöglichte, dem, was ihrer Familie zugestoßen war, gelassen zu begegnen. Nicht zum ersten Mal verspürte ich leise Ehrfurcht angesichts der Widerstandsfähigkeit mancher Mütter und Ehefrauen noch unter den grauenvollsten Umständen.
Das Mobiltelefon in meiner Tasche klingelte. Williams wollte, dass ich hinauf auf die Station käme. Rebecca Purdy war nun bereit, uns zu schildern, was geschehen war.
Ihr und ihren Freundinnen war es gelungen, in den Club Manhattan hineinzukommen, weil eine von ihnen eine Affäre mit einem der Türsteher hatte – der verheiratet war. Rebecca hatte den ganzen Abend über Alcopops getrunken. Sie hatte getanzt, und als sie zurück an den Tisch kam, hatte jemand ihr ein Getränk ausgegeben. Sie trank die Hälfte davon, dann schlug ihr ein übereifriger Verehrer, der neben ihr tanzte, die Flasche aus der Hand, und das Getränk wurde verschüttet.
Als sie auf die Tanzfläche zurückgekehrt sei, habe sie sich fantastisch gefühlt, sagte sie – beinahe unglaublich glücklich. Dann sei sie mit jemandem zusammengestoßen, der ihr sein Getränk übers Top geschüttet habe. Während der darauf folgenden Auseinandersetzung fühlte sie sich auf einmal benebelt und stolperte. Jemand packte sie am Arm und stützte sie, bis sie das Gleichgewicht zurückerlangt hatte. Sie hatte ihn an diesem Abend bereits mehrfach gesehen, hatte seinen Blick aufgefangen, als er sie beim Tanzen beobachtete. Er war groß, schwer, mit kurzgeschorenem Kopf und hatte eine Tätowierung auf dem Arm, die sie nicht genauer beschreiben konnte. Sie habe ausgesehen wie das Bild eines Mannes neben einem Baum.
»Alles in Ordnung?«, fragte er sie, legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie bereits zu einem der Notausgänge, die abends offen gelassen wurden, damit die Gäste vor der Tür rauchen konnten, ohne etwas zu verpassen.
»Ich brauche frische Luft«, erinnerte sie sich, gesagt zu haben. »Ich fühle mich nicht so gut. Ich muss meine Freundinnen finden.«
Die Musik habe immer lauter gehämmert, die Lichter hätten sich über ihr gedreht. Die Leute, die um sie herum tanzten, schienen grundlos schneller und langsamer zu werden.
»Sie sind hier draußen«, sagte er und legte ihr seinen Arm nun besitzergreifend und liebevoll um den Rücken.
Sie habe die ganze Zeit gewusst, dass er nicht die Wahrheit sprach, doch sie hatte offenbar nicht widersprechen können, selbst als er vorschlug, sie nach Hause zu fahren. Sein Auto war sportlich, leuchtend rot, das Wageninnere war sauber und es roch komisch, aber das habe sie nicht recht einordnen können.
Er fuhr mit ihr zu einem Feld außerhalb von Letterkenny. Sie sagte, ihr sei übel gewesen, sie habe sich übergeben müssen. Er hielt in einer Parkinsel an und schaltete die Scheinwerfer aus, half ihr aus dem Wagen und einen kleinen Abhang hinunter zu einem Feld. Während sie vornübergebeugt stand und sich erbrach, spürte sie ihn hinter sich, mit den Händen umfasste er ihre Taille, zupfte an ihrem Rock.
Sie drehte sich um und spuckte ihn an, versuchte, um Hilfe zu rufen. In dem Augenblick versetzte er ihr einen Faustschlag – eine kurze, rasche Bewegung, der sie nicht mehr ausweichen konnte –, und das Blut lief ihr sofort aus der Nase. Weitere Schläge folgten, so schnell, dass sie sich wie ein einziger anfühlten.
Hastig öffnete er seine Hose, hielt dann aber inne. Irgendetwas stimmte nicht. Sie zuckte zurück, rechnete damit, dass er wieder nach ihr greifen würde, doch stattdessen brüllte er wie ein Tier und begann, sie zu treten, während er seine Hose wieder hochzog. Er legte ihr die Hände um den Hals und schüttelte sie so heftig, dass sie dachte, ihr Genick würde brechen. Schließlich schien sein Zorn zu verrauchen, er stolperte den Abhang wieder hinauf, und sie kroch wimmernd von ihm fort.
Sie hörte die Autotür zuschlagen, den Motor aufheulen, hörte Schotter durch die Gegend fliegen, als das Auto davonraste. Sie stand auf und erhaschte noch einen Blick auf seine Rücklichter, die sich auf der Straße entfernten. An das Kennzeichen erinnerte sie sich nicht – genau genommen glaubte sie aus irgendeinem Grund, der Wagen habe gar kein Kennzeichen gehabt.
Schließlich kämpfte sie sich den Abhang hinauf zurück zur Straße und hielt einen Minibus an, dessen Fahrer sie ins Krankenhaus brachte.
»Es war, als ob …«, setzte sie an, als sie darüber nachdachte, dass ihr
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