Galileis Freundin (German Edition)
Converse drehte sich in einem schneller werdenden Kreis, um den heiligen Sinn aller Bi l der in sich aufzunehmen. Ihr Verständnis wurde geringer, ihr Suchen schneller. Ihre Füße wi r belten im Kreis, ihre Augen glitten über die schwach beleuchteten Himmelserscheinungen. I m mer schneller drehte sie ihre Pirouette. Engelserscheinungen wirbelten durch Martyrien, Filippo Neri vermischte sich mit Bernhard von Clairvaux, in der Marienkrönung sah sie die Krone auf dem Haupt des Frains d’Aix. Farben vermischten sich, Figuren tauschten ihre Gesichter, die Krone in der Zange eines Teufels, das schreiende Gesicht eines Gequälten mit einem Heilige n schein. In den wahnwitzigen Umdrehungen ihres Körpers flog ihr Mantel, einem Vogel gleich, durch die Lüfte. Sie vermeinte sich zu erheben und engelsgleich in die Gemälde einzugehen, um eins mit ihrem Geliebten zu sein.
„Ihr solltet weiterschlafen“, waren die ersten Worte, die wie einzelne Sonnenstrahlen an ihr Ohr drangen. Die vertraute Stimme verhieß Frieden, das Geräusch des Lichtes so angenehm, dass sie sich die Verschwendung eines weiteren Versenkens in die wirbelnden Abenteuer e r laubte. Das kühle Wasser an den trockenen Lippen schenkte Labsal und Zufriedenheit, die streichelnde Hand tiefe Beruhigung für Haut und Seele. Die ehrlichen Augen von Julia beugten sich über ihr Gesicht. Ein Lächeln signalisierte Frieden und Freundschaft, Ruhe und Willko m men. Auf den fragenden Blick der Gräfin Picchena antwortete das vertraute Gesicht der Freu n din.
„Seit gestern Abend darf ich euren Schlaf bewachen. Niemand außer mir konnte die Erzählu n gen eures Traumes verfolgen, eure Liebe mit einem Franzosen begleiten. Seid beruhigt, den anderen war der Zutritt verwehrt. Ihr habt nur eine kleine Platzwunde am Kopf, von dem Sturz auf den steinernen Boden in der Neri Kapelle. Wir haben die Wunde gut versorgt. Ich denke, dass euer Kind sich angekündigt hat.“ Sie verwies dabei auf den runden Bauch Caterinas.
„Julia, ich war ...“ versuchte die Erwachte zu erklären.
„Pscht“, haltet eure Lippen still. Noch im Bett habt ihr versucht, euren Körper zu drehen wie sich ein schwebender Vogel in die Lüfte erhebt. Ihr seid eurem Ziel zugeflogen. Eurem Ziel in die Provence. Eure Vorstellungen, verehrte Gräfin, Caterina Picchena, eure Vorstellungen von eurem Leben an der Seite dieses Mannes haben eine solch wirkliche Gestalt angenommen, dass ich an der Umsetzung eures Vorhabens nicht einen Augenblick zweifle.“
„Julia, was habe ich erzählt. worüber habe ich im Traum berichtet?“
„Nicht vielmehr und viel weniger, als dass ihr vorhabt, aus diesem Kloster zu fliehen, um einen gewissen Frains d’Aix in der Provence zu besuchen, den Vater eures Kindes. Werdet nicht unruhig, meine liebe Caterina Picchena“, fügte Julia ein, als sie das unruhige Flackern in den Augen ihrer Freundin bemerkte, „niemand, außer mir, hat auch nur ein einziges Wort aus e u rem Munde vernommen. In der Kapelle wart ihr wohl ohnmächtig und nicht fähig, ein Wort von euch zu geben. Erst später als ich nach meiner eigenen Bitte den Auftrag der Schwester Oberin erhielt, an eurer Ruhestatt zu wachen, habt ihr in der Geborgenheit eures Bettes, über eure Wünsche und Vorstellungen gesprochen. Denkt nicht weiter darüber nach, ich behalte diese Worte in meinem Herzen begraben. Nun ruht euch noch ein wenig aus.“
In der Verzweiflung ihres Lebens, umgeben von grauen Mauern, gedachte sie ihres väterlichen Freundes, des hoch gelehrten Wissenschaftlers Galileo Galilei. Sich in die unergründliche Tiefe seines Leides zu versenken, sein Schicksal zu teilen, verschaffte ihr Ablenkung und Stärke in ihrem eigenen leidvollen Dasein. Bald schon übergab sie ein eingerolltes Pergament, das sie über viele Umwege in die Villa Arcetri sandte.
"Hochgeschätzter Galilei, unerschöpflicher Quell der Freude für meine einsamen Stunden.
Wie konnte es sein, dass das Leben Euch, dem in Europa hochgeschätzten Wissenschaftler und Astronom, so übel mitgespielt hat? Was ist es wirklich, was man Euch in den Kreisen der Kirche vorwirft? Aus meinen Kenntnissen habt Ihr nichts getan, was einen solchen Schritt gerechtfertigt hätte. Wohl weiß ich um die Angst der Kirche wegen der Ketzerei. Die Lutheraner haben Rom mächtig zugesetzt. Aber war es in manchen Fällen nicht von Wichtigkeit, was der Herr Luther, als schändliches Tun dargestellt hat? Es ist gefährlich, solches Gedankengut zu
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