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Galileis Freundin (German Edition)

Galileis Freundin (German Edition)

Titel: Galileis Freundin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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das Gesicht, dem sie sich im Gebet am meisten zuwandte.
    Bernardo Buontalenti hatte 1551 dieses etwas unterlebensgroße Kruzifix in seinen jungen Ja h ren geschnitzt. Das Antlitz Christi stellte der Gräfin die tiefe Reinheit der göttlichen Seele, Milde und Güte dar, Verständnis und eine allumfassende Liebe. Die Gesichtszüge am Kruzifix blieben, das Gesicht ihres Geliebten Frains nahm allmählich die Züge aus dem Kruzifix an. Kniend in der Kapelle rechts des Hauptschiffes, murmelte sie inbrünstig ihre leidenschaftlichen Worte. Sehnsuchtsvoll streckte sie die Arme in Zwiesprache mit dem Christus, der für sie in s geheim ihr französischer Geliebter war, dem Kreuz entgegen. Häufiger kniete sie in den W o chen und Monaten vor der Chorkapelle. Mehr als es die Regeln des klösterlichen Lebens ve r langten, betete sie vor dem Kreuz. Jeder Besuch vor dem Altar brachte sie mit ihrem geliebten Mann zusammen, sie tauschte sich mit ihm aus, legte ihren Kummer und ihre Sorgen zu Füßen des starken Mannes, forderte ihn auf, sie endlich aus diesen trostlosen Gewölben zu entführen.
    „Wo bist du, mein Frains? Eile zu mir. Keine Qual, kein Leid will ich scheuen, wenn ich nur den Weg zu dir zurückfinde. Wie plötzlich hat man uns getrennt, unter dem scheinheiligen Vorwand, ich würde Unruhe und Unsittlichkeit in die Stadt bringen. Die gierigen Buondelmo n ti sind es, die uns getrennt haben, die mein Zusammensein mit dir verhindern wollen. Sie haben Angst, die reichen Krämer, eine kleine Ecke aus ihrem Vermögen abzugeben. Ich denke, es muss ein leichtes für dich sein, mich von hier zu entführen, mich des nachts aus den Gewö l ben zu holen. Verkleide dich als wallfahrender Priester, der auf dem Weg nach Rom ist. Oder nimm dir ein paar Söldner. Ich bezahle sie. Haue mich hier heraus, so wie du dich manchmal in den Diensten der Medici geprügelt hast. Warum soll dies eine Mal gefährlicher sein? Wenn die Sonne untergegangen ist, wenn alle Conversen und Nonnen zur Andacht in die Kirche gerufen sind, kann ich mich heimlich aus dem Kloster schleichen. Ich habe den Weg bereits ausgekun d schaftet. Ich lasse alle meine Kleider hier, ich werde glücklich sein, hinter dir auf einem Pferd zu sitzen, in deinen Armen über die Felder, Wiesen und durch die Wälder Richtung Frankreich fli e gen. Unsere Liebe wird uns diese Flügel verleihen, die uns jedes Hindernis überbrücken lassen. Niemand soll uns mehr unter seine Fuchtel nehmen. Ich verzichte auf alles Vermögen, wenn ich nur bei dir sein könnte. Ich verzichte auf die Palazzi , die Villa, die großen Feste, die prunkvollen Feiern in Florenz. Ich brauche nur dich, mein Frains, höre mein Flehen, lausche meiner Stimme, die nur noch von der Liebe zu dir berichtet. Hol mich heim in das fremde Land der Provence. Dort will ich für alle Zeiten mit dir glücklich sein. Frains, ich liebe dich.“
    Die Tränen in ihren Augen galten ganz alleine ihrem geliebten Mann, den sie endlich wieder s ehen wollte, in dessen Armen sie das höchste Glück dieser Erde genießen wollte.
    Sie fand sich manches Mal dabei, wie sie die zarten Gesichtszüge des Kruzifixes mit ihren schlanken Fingern nachzog. Sie drückte in Gedanken das liebliche Gesicht an sich. Sie küsste den Mund, umarmte den Körper.
    Aus der Meditation mit ihrem Gleiten erhob sie sich von den steinernen Stufen der Kirchenk a pelle, wandte sich unvermittelt zur Chorkuppel und versenkte ihren Blick in das farbenprächt i ge Fresko der Engelsglorie. Nicht lange und ihre Gedanken wanderten erneut zu Frains d’Aix. Ihre Leiden waren die Sehnsucht, das Kruzifix von Bernardo Buontalenti das Sinnbild ihrer Sehnsüchte. In der Nähe des Kreuzes fand sie keine Ruhe. Sie floh aus der Kirche, eilte durch den Kreuzgang in die Neri Kapelle, vertiefte sich in der Betrachtung der Marienkrönung und Glorie, wich entsetzt zurück, als sie in dem Fresko des Hl. Bernard von Clairvaux die Züge ihres Franzosen wieder zu erkennen glaubte. In dem Martyrium des heiligen Nereo und des he i ligen Achilleo in der Chorkapelle entdeckte sie ihr eigenes Leid. Jedes in wundervollen Farben leuchtende Fresko des Bernardino Poccetti, Martyrium oder Glorie, verwirrte ihre Sinne. Die winzigen Fenster hoch über der kleinen Seitenkapelle gegenüber dem Eingang warfen nur ein schwaches Licht in den hochgewölbten Andachtsraum. Gierig saugten die vielen Fresken an Wänden und Kuppeln das Licht in ihre Gemälde auf, um sie zum Leben zu erwecken. Die b e tende

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