Galileis Freundin (German Edition)
ist der Ekel vor der Arroganz der Macht. Der Ekel vor der Selbstherrlichkeit der zufällig geborenen Fürsten."
Giancarlo war erstarrt. Er zog sich ein wenig zurück, schob seinen vogelähnlichen Kopf lan g sam vor. Er näherte sich bis auf wenige Zentimeter dem Gesicht der Converse. Sein Blick war in einem engen Spalt seiner Augenlider eingefroren. Sein Mund stand offen. Er rang nach Wo r ten. Bevor er seinen strafenden Hass loswerden konnte, sprach Caterina Picchena langsam mit hart betonten Worten: "Ihr glaubt, Giancarlo, die Welt sei die eurige. Ihr glaubt, auf euer Fingerschnappen hin, macht jede Frau die Beine für euch breit. Das mag im Allgemeinen stimmen, Eminenz, Kardinal Gia n carlo de’Medici. Bei mir stimmt es nicht. Was ihr zuvor die Freiheit nanntet, wäre für mich die Erniedrigung und die Selbstaufgabe."
Bis auf eine Handbreit war ihr Gesicht dem Kardinal nahe gekommen. Ihre Augen blitzten, und ihr haßerfüllter Blick durchb ohrte die Augen des Kirchenherr n.
Nach einigen Sekunden des sprachlosen Entsetzens fasste sich der Kardinal. Er griff die Picch e na an den Armen und wollte ihr die Kleider vom Leibe reißen, als die Tür aufflog und Julia hereinstürzte.
"Verzeiht, Converse Picchena, ihr dürft die Stunde des Gebetes nicht versäumen."
Als bemerkte sie erst jetzt den Kardinal, fügte sie hinzu, wobei sie sich auf die Knie warf.
"Eure Eminenz, niemand sagte mir, dass ihr zugegen seid. Mich dünkt, die Markgräfin Picchena scheint gefallen zu sein, ihr habt sie wohl vor dem Sturz errettet."
Giancarlo, der die Gräfin noch immer fest an den Armen hielt, blickte zornig fragend auf die Störerin.
"Ich danke euch, eure Eminenz", setzte Caterina schnell hinzu, "ihr habt mich vor einem bösen Sturz bewahrt. Doch nun, so bitte ich euch, entlasst mich zum Gebet."
Bevor er noch antworten konnte, hatten sich die beiden Conversen längst aus dem Raum en t fernt. In ihre Zelle zurückgekehrt, dankte sie Gott und Julia, unbeschadet das Offzium verla s sen zu haben.
Sie ertrug das Getuschel und die spitzfindigen Gemeinheiten der Schwestern, sie arbeitete hart und fand sich stets rechtzeitig zum Gebet in der kleinen Kapelle ein. Seit einigen Tagen spürte die schöne Frau den wohlwollenden Blick der Priora auf sich ruhen. Sie wich diesen Annäh e rungen aus. Hingegen betonte sie ihre Frömmigkeit. Sie wollte Niemandem, auch nicht einer Frau, auch nicht der Priora Mattea Anlass für körperliche Begierde sein. Doch spürte sie ve r stärkt den wachsenden Kontaktwunsch der Oberin. Ein Ausweichen vor den gierigen Berü h rungen der Schwester Mattea wurde immer schwieriger. Julia, die Komplizin, war weiterhin wachsam. Sie bemerkte die Wünsche der Priora und die wachsende Not ihrer Freundin. Sie warf sich heldenhaft zwischen die beiden Fronten. Sie blieb in der Nähe ihrer Freundin. Eines Abends sagte die fromme Suore Mattea heimtückisch, die Zellentüre der Gräfin Picchena sei doch wohl zum Empfang des Herr n stets offen. Kaum jedoch hatte die Oberin die Worte au s gesprochen, bat Julia ihre verängstigte Freundin zum zusätzlichen Gebet in die Kapelle um Mitternacht, um dem Herrn für ihre Gesundheit zu danken. Mit solchen und mit anderen list i gen Begebenheiten verleidete sie der süchtigen Priora den Wunsch nach einer Zusammenkunft mit der Gräfin. Bald wandte sich die Oberin einem Neuankömmling zu, die die Privilegien eher zu genießen schien. Man ließ die Picchena in Ruhe. Sie war uninteressant geworden. Der Glanz des Adels, der Lichtschein einer Dame vom Hofe, selbst ihre unter der Kleidung einer Nonne verborgenen körperlichen Reize verblassten in den Augen und Wünschen bestimmter Professen, Laienschwestern und der Priora.
Die Heimkehr
Die Gedanken der einsamen Converse suchten in der Provence nach einer Stadt Aix, dort e r kannten sie ein Haus und darin einen starken Mann, der sich in Gedanken an sie verzehrte. Eingedenk der alles überstrahlenden Liebe, mit der sie der französische Soldat überhäuft hatte, gewann sein Bild in ihren Augen von Tag zu Tag mehr Konturen. Sein liebliches Antlitz übe r strahlte die dunklen Nächte in der einsamen Zelle des Klosters. Wie schnell verblasst die Eri n nerung, und das geistige Bild musste von ihr übertragen werden von den Bildern der Heiligen, den Antlitzen von den Gemälden aus der klostereigenen Kirche. Unter diesen Gesichtern suc h te sie sich eines aus, das in ihrer Phantasie dem Antlitz des Frains d'Aix am ehesten glich. Es war
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