Galileis Freundin (German Edition)
sollte an den Freuden des Wettkampftages und des Festes auf Einl a dung des Herrschergeschlechtes und auf deren Kosten teilnehmen. Die unermessliche Freude drang wie ein Frühlingsgewitter durch die Straßen und Gassen von Florenz. Die Menschen umarmten sich, schätzten sich glücklich, dass ihr Herrscher ihnen erhalten geblieben war und gaben sich den freizügigen Genüssen hin.
Einsam zog allein über die Via Largo ein bärtiger, braun gebrannter Mann seines Weges. We l ches Unrecht sollte hier geschehen? Was sollte und vor allem warum solle es seinem Freund Girolamo angetan werden? Valerio bewegte sich sehr vorsichtig über die Straßen und Gassen. Er schaute ab und zu unruhig witternd, wie ein wildes Tier um sich, und versuchte aus une r klärlichen Gründen herauszufinden, ob er beobachtet würde. Seine Seele hatte Angst ergriffen. Chiarenti suchte seine Sinne zu ergründen. Er wollte herausfinden, mit welcher Bewandtnis diese Sache zu tun hatte. Girolamo hatte gepredigt. Wie hä tte er der Mörder sein können. Auch vor der Predigt hatte ihn Valerio im Chorraum gesehen. Welches heimtückische Spiel wurde hier von den Herrschern der Stadt gespielt?
Je näher sich Valerio dem Zentrum der Stadt näherte, um so mehr der Gerüchte vernahm er von laut und gestikreich diskutierenden Gruppen. Langsam wurde das Bild in seinem Kopf klarer, das sich so darstellte: Zur Feierlichkeit des Tages hatten sich die Mitglieder des gro ß herzoglichen Hauses auf der Piazza del Granduca eingefunden und begrüßten eine vieltausen d köpfige Menschenmenge, die ihnen zujubelte. Gerade wollte sich der Großherzog mit seiner Gattin, der Großherzogin Vittoria della Rovere, auf seiner linken Seite und dem Kardinal G i ancarlo de Medici auf seiner rechten Seite auf die fürstlichen Tribünen begeben. Ein hagerer Mann in einer Mönchskutte stürzte auf den Großherzog zu und drohte, ihn mit einem Dolch zu ermorden. Die aufmerksame Palastwache konnte dem Mörder den Dolch aus den Händen schlagen und wollte ihn überwältigen. In dem auftretenden Getümmel duckte sich der Me u chelmörder und verschwand unter den Tribünen. Er konnte nicht mehr eingeholt werden.
Das Herrscherhaus war starr vor Entsetzen. In dieses Entsetzen hinein rief eine wütende Sti m me nur ein einziges Wort laut und deutlich "Girolamo".
An der Ecke Palazzo Granducale zur Piazza del Granduca wurde Valerio von vier festen Mä n nerfäusten gepackt und in die Knie gezwungen. Chiarenti fiel, nahezu ohnmächtig vor Angst, auf das Straßenpflaster. Als er nach einigen Augenblicken zu sich kam und aufschaute, blickte er in das Gesicht eines ebensolchen Soldaten der Palastwache, wie jener, der den Mönch g e fangen genommen hatte.
"Im Namen des Großherzogs, ihr seid festgenommen."
Bevor Valerio irgendetwas fragen oder antworten konnte, war er in eine Sänfte gestoßen. Sie wurde von außen verschlossen. Im Laufschritt wurde er hinter verschlossenen Fenstern i r gendwohin getragen. Was er noch erkannte, war, dass sich an der Innenseite der Tür kein Griff zum Öffnen befand.
Scheiterhaufen
Ein fest zugeschnürter Sack konnte nicht qualvoller sein. Was sich Valerio niemals hatte vo r stellen mögen, war nun geschehen. Die Behörden hatten ihn festnehmen lassen. Er wusste nicht warum. Angst kroch ihm langsam über den Rücken und den Nacken bis in jeden Winkel seines Kopfes.
Er ahnte, dass dies irgendwie mit dem Mordanschlag auf den Granduca in Zusammenhang zu bringen war. Doch genauso, wie man den unschuldigen Mönch Girolamo von den Kanzel weg verhaftet hatte und ihn noch in der Kirche des versuchten Mordes an dem Großherzog b e schuldigt hatte, könnte er einer unerklärlichen Anschuldigung gegenüberstehen. Es ging den Verantwortlichen kaum darum, dass die Wahrheit herausgefunden werden sollte.
Das war es, was ihn erzittern ließ. Wenn die Wahrheit nicht das Ziel war, würde man ihn, wie den Mönch, zur Anklage bringen.
Er fragte sich besorgt, wie man ihn überhaupt aus der Menge herausgefischt hatte. Ob man ihn als Valerio Chiarenti da San Gimignano verhaftet hatte, der soeben aus Marseille eingetroffen war? Oder ob er einfach als braungebrannter Fremdling, mit gegerbten Gesicht und wallendem Bart einer verbrecherischen Tat bezichtigt werden sollte? Hing seine Verhaftung mit dem A n schlag zusammen? Wurde er als Komplize des Mönchs bezichtigt? Wurde er als Vertrauter der Caterina Picchena gesehen? Oder gab es noch einen ganz anderen Grund?
Die Fragen
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