Galileis Freundin (German Edition)
Pagagliotti gab seinem Pferd die Sporen, ritt zum Kopf des Zuges und schloss sich den Kaufleuten an.
Tage vergingen, Nächte strichen dahin. Längst hatte man in Monaco die guten, farbenprächt i gen Stoffe gegen Olivenöl eingetauscht. Längst aber auch war das Öl aus dem Fürstentum in die Warenhäuser von Genua und Rapallo geflossen. Wieder transportierte die Karawane Ol i venöl. Die eigene Produktion aus den italienischen Küstengebieten. Die andere Hälfte der K a rawane hatte guten Weizen aus der Po-Ebene geladen. Bestimmungsort waren die Städte der Toskana.
Nach einer langen Reise von mehr als einem Monat winkten der Karawane von einem nördl i chen Hügel die prächtigen Kuppeln der Arnostadt zu.
Das Herz des Valerio schlug höher als er die Porta San Gallo an der nordwestlichen Ecke der Stadtmauer entdeckte. Nach rechts breitete sich am Rande der Stadt die mächtige Cittadella aus. Die Festung verkündete ihm, dem Reisenden aus der fernen Provence, Ruhe und Siche r heit. Geradewegs vor den Schritten seines Pferdes glänzte die Kuppel der Kirche Santa Maria del Fiore im weichen Sonnenlicht. Endlich würde er heimziehen können. Das Tor von San Ga l lo brachte ihm die Heimat wieder. Mit einem Grauen durchfuhr ihn jedoch die Angst vor der Entdeckung.
Der Durchgang an der Porta San Gallo verlief recht einfach. Die Ankunft war von den Ha n delshäusern bestens vorbereitet worden. Die Maultiere mit ihren Lasten wurden gezählt. Die Zöllner machten Stichproben und prüften nur kurz den Inhalt der Ballen und Fässer. Manch offene Hand wurde sorgfältig gefüllt, so dass ein jeder seiner Zufriedenheit Ausdruck verlieh.
Valerio ritt an der Seite des Dominikaners, bis zur Via degli Arcizzoro. Dann ging Fra’ Gir o lamo seinen einsamen Weg zum Kloster San Marco nach Nordosten. Ein Schauer überfiel den Medikus, als sich die finstere Gestalt des Mönches entfernte, und er an dessen Erzählungen dachte.
Am Sonntag des achten Oktober wandte sich Chiarenti endgültig von den festlich gekleideten Menschen ab. Girolamo hatte ihm bedeutet, dass er in der Kirche San Marco am achten. Okt o ber den Menschen ins Gewissen reden würde.
In der Kirche, unmittelbar neben dem Kloster, suchte der Medikus aus San Gimignano die markanten Gesichtszüge des Dominikaners. In der Altarkapelle auf dem Chorgestühl saßen viele Mönche des Klosters. Die dunklen Kutten verbargen die Gesichter, von denen eins wie das andere aussah. Aus seiner Entfernung, neben der Kanzel, konnte er ohnehin nur schwerlich in das Halbdunkel des Chores schauen. Doch dann erkannte er ihn auf der rechten Seite neben dem Altar. Sein Weggefährte saß aufrecht, mit erhobenem Blick, auf dem zweiten Platz der dunkelbraunen Chorstühle.
Girolamo blickte auf. Seine funkelnden Augen trafen den Blick Valerios. Lange schauten sie sich in die Augen.
Die Kirche San Marco füllte sich noch vor Beginn der heiligen Messe vollständig. Viele Me n schen waren darunter, die sich von den übertriebenen Feierlichkeiten der Straßenfeste abwan d ten. Andere würden sich erst nach dem Kirchgang in den Trubel stürzen.
Plötzlich und unerwartet stand Girolamo de Pagagliotti in der Kanzel. Ein Raunen ging durch die Menschen. Andere schwiegen erschreckt, als sie die finster wirkende Gestalt des Mönches wahrnahmen. Wie ein Donner dröhnten die Worte des Predigers. Um eines Mannes Größe befand sich der Mönch über der versammelten Kirchengemeinde. Über die verglasten Fenster nahezu über und gegenüber der Kanzel wurde das Kirchenschiff geheimnisvoll beleuchtet. Eine Kerze unter dem Gesicht des Mönches auf der Balustrade der Kanzel beleuchtete die ausg e prägten Wangenknochen des Mannes und warf lange Schatten in sein Gesicht. Die Augenhö h len blieben dunkel, erst wieder die wulstigen Knochen über seinen Augen waren ein wenig b e strahlt. Valerio erkannte die Stimme seines Freundes, auch wenn die Gewölbe von San Marco seinen Lauten einen mehr dröhnenden und donnernden Widerhall verliehen.
"Mit der Nächstenliebe der Menschen hat Jesus von Nazareth nicht die ungezügelte Lust bei Straßenfesten wie in Florenz gemeint. Steht zueinander, helft euch miteinander. Aber versucht nicht, euch eure Weiber und Töchter wegzunehmen. Florenz ist ein Sündenpfuhl. Die Wollust, die Päderastie, die Sodomie und die Hurerei sind zu Kennzeichen der Frühlingsstadt geworden. Ich sage euch, ob Händler oder Handwerker, ob Adliger oder Staatsmann, niemand ist gefeit vor den
Weitere Kostenlose Bücher