Galileis Freundin (German Edition)
wurde das verschlossene Kirchenportal aufgestoßen und mehrere Soldaten der Garde des Granduca stürzten zur Kanzel. Sie blieben unter dem Predigtstuhl st e hen. Einige von Ihnen liefen über die Altarstufen in die Sakristei um über den verborgenen hi n teren Zugang zur Kanzel die steinernen Stufen zu erreichen. Die Menschen in der Kirche sta n den sprachlos vor der brutalen Gewalt und der teuflischen Störung des Gottesdienstes. Der Soldat auf der Kanzel griff den Mönch bei seiner Kutte und rief laut in die fromme Gemeinde hinein.
"Er ist verhaftet, im Namen seiner Durchlauchtigsten Hoheit, des Großherzogs, wegen me u chelmörderischer Taten."
Die Menschenmenge stand wie erstarrt und wartete auf ein Wort des Predigers.
" Lasst den heiligen Mann los", rief eine Frau, "ihr versündigt euch gegen den Herrn."
"Ihr seid ein Mörder", rief eine anadere , "ihr werdet in die Hölle fahren und dort für eure Gewalttat büßen."
"Nehmt den Schändern die Säbel, werft die Verbrecher vor die Tore unserer Kirche. Hackt den Spitzbuben die Hände ab. Schlitzt ihnen die Bäuche auf...", riefen mehrere in der Menge durcheinander.
"Fra Girolamo, wir werden euch aus den Klauen dieser Gottesmörder befreien", hörte man ein Stimme aus dem Hintergrund.
Für die wenigen Soldaten entstand eine gefährliche Situation. Die Menge wollte sich auf die Eindringlinge stürzen und sie direkt an der Kanzel aufzuhängen.
"Haltet ein", rief der Hauptmann mit zorniger Stimme. "Haltet ein. Wir tun unsere Pflicht im Namen des großherzoglichen Hauses und im Namen des Kardinals der heiligen Römischen Kirche."
"Wer ist dieser Kardinal, der seinen Prediger auf der Kanzel verhaften lässt ?" wollte ein Mann aus den Reihen der Gläubigen wissen.
"Wer ist das großherzogliche Haus, von dem du sprichst, dass noch nicht einmal Ehrfurcht vor dem Messopfer beweist?" höhnte ein anderer unsichtbarer Kirchenbesucher.
Immer mehr Menschen stürzten sich auf die Kanzel und durch die Sakristei auf die Treppe zu und bedrohten die Palastwache des Großherzogs. Um jeden Preis schienen sie ihren Prediger, der ihnen so schonungslos ihre Sünden vorgeworfen hatte, befreien zu wollen.
"Halt", rief erneut der Hauptmann. "Hört zu. Erfahret die grässliche Tat. Auf unseren Grand u ca, Ferdinando II., ist auf der Piazza del Granduca soeben kurz vor dem Beginn des Pferdere n nens ein gemeines Attentat verübt worden. Bevor die meuchelmörderische Hand des hinterli s tigen Täters abgehackt werden konnte, ist er in die Wirren der Menge entflohen. Er floh, wie viele Zeugen belegten, nach San Marco. Er hält sich hier in dieser Kirche versteckt. Wir haben die Order den Girolamo festzunehmen. Er steht im Verdacht der meuchelmörderischen Tat."
"Girolamo hat hier gepredigt. Wie kann er es gewesen sein? Nehmt eher einen eurer Soldaten als Täter, das scheint wahrscheinlicher", rief ein Mann aufgebracht.
Zustimmende Rufe aus der Menge unterstützten ihn und bedrohten erneut den Hauptmann. Laute Rufe und eine immer mächtigere Bewegung der Menschenmenge auf die Kanzel zu li e ßen den Hauptmann und seine Soldaten erzittern.
"Haltet ein", schrie der Soldat ängstlich. Wir sind die Soldaten des Großherzogs. Gott der Herr hat unseren Ferdinand II. ohne Schaden gerettet. Es lebe der Granduca."
Einen Moment entstand eine ehrfurchtsvolle Stille in der Kirche. Dann riefen zunächst nur ve r einzelte dann immer mehr Menschen das gleiche Wort: "Es lebe der Granduca, es lebe der Granduca, Ferdinando II:"
Wie eine Woge brandete dieser Ruf bald durch das Kirchenschiff aus den Portalen hinaus und entzündete alle Menschen, die sich in der Nähe der Kirche befanden. Der Ruf drang durch die Straßen bis zur Piazza del Granduca.
Die Soldaten hatten die Situation geschwind genutzt und den Mönch abgeführt. Vor den Toren von San Marco wurde Fra’ Girolamo de Pagagliotti in eine Kutsche gedrängt und ehe die frommen Bürger noch so recht bemerkten, was geschehen war, kehrte die Ruhe und Ordnung wieder ein.
Vereinzelt hörte man noch Rufe
"Was ist mit unserem Prediger? Lasst den Mönch frei."
Doch die Stimmen wurden leiser und verklangen in dem Getümmel der Feierlichkeiten des a n gekündigten Pferderennens. Es wurde in der ganzen Stadt bekannt, dass der Herrscher wegen seiner wunderbaren Rettung vor der Hand des Meuchelmörders dem allerhöchsten Gott dan k te. Kardinal Giancarlo de’Medici hatte dies verkünden lassen. Jeder Bürger und jeder anw e sende Gast in der Stadt
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