Galileis Freundin (German Edition)
Sonne und nicht das bis dahin gelehrte umgedrehte Geschehen Euch als Schuld auslegen?
Werden die Ereignisse, in denen wir uns befinden, und die Wahrheit um diese Ereignisse herum höher bewertet als die Empfindungen, die mit uns zusammenhängen?
Der Traum meines Lebens, hoch gelehrter Galilei, ist nicht Aminta. Meine Sehnsucht ist die unendliche Treue dieses Hirtenjungen zu seiner Liebe. Sollte ich je von den wertvollsten G e fühlen, die sich meiner bemächtigt haben, Abstand nehmen müssen, würde ich lieber in den Tod gehen.
Welche herrschsüchtige Anmaßung der ‘Wachhunde des Glaubens’, so nennt man ja wohl die Inquisition, von Euch, mein hoch verehrter Freund, die Aufgabe der entdeckten Wahrheit zu verlangen. Ist es nicht ein großes Leid, als müsstet Ihr ein Stück eures Lebens dahingeben? Das Leid des Gequälten ist nicht die augenblickliche Qual. Das verletzte Selbstwertgefühl ist die andauernde Last.
Wie während der lieblichsten Freudentage auf Picchena, hoch verehrter Galilei, so sehe ich mich auch heute vor dem Tor zu einem unendlichen Jammertal, an Eurer Seite. Tiefe Traurigkeit hat mein noch so kleines Herz befallen. Ich sehe keinen Ausweg. Die Verweigerung der Ehe mit dem Buondelmonti würde die Schnüffelhunde der Inquisition auf meine Fährte führen. Das Dasein an der Seite des schwindsüchtigen Lorenzo lässt mich ein ‘normales, gesichertes’ Leben ohne Liebe und Träume fristen. Ein geiler Abt hat sich in mein Leben eingemischt.
Hochgelehrter Galilei, in welchem der vielen wertvollen Bücher in den Regalen der Bibliothek meines Vaters, lässt sich der wahre Weg für mein Leben finden?
In der Erkenntnis, verehrter Galileo, dass mein Weg nicht leicht sein wird, grüße ich Euch.
Eure immer und ewig verbundene
Caterina Picchena.
Erneut stand sie vor den vielen Handschriften und gedruckten Büchern. Sie nahm einzelne Werke in die Hand, die sie vor langer Zeit mit viel Begeisterung verschlungen hatte. Nicht weit von der Burg Picchena entfernt, nur einen Steinwurf weg von San Gimignano, hatte der Dic h ter Boccaccio in seinem Werk ‘Decameron’ Grausames über die Pest des Jahres 1348 in Ei n zelheiten zu berichten gewusst . In dem ‘Proemio’ fand Caterina die traurige Zukunft ihres eig e nen Daseins bitter zusammengefasst .
".......Furchtsam und schamhaft halten die Frauen in ihrem zarten Busen die Flammen der Liebe verborgen, welche stärker sind als die offenen, wie alle wissen, die es erfahren haben und erfahren. Darüber hinaus werden sie die meiste Zeit vom Willen, von der Laune, von den Befehlen der Väter, Mütter, Brüder, Ehemänner gezwungen, im engen Raum ihrer Kemenaten eingeschlossen auszuharren; und fast untätig sitzen sie nun dort, und wenden - halb mit, halb wider Willen - vielfache Gedanken hin und her, die unmöglich immer heiter sein können. Und wenn solche Gedanken in ihrem Herzen eine schwermütige, von feurigem Begehren getragene Stimmung wecken, so wird diese sie mit Traurigkeit belasten, sofern sie nicht von anderen Gedanken vertrieben wird;......"
Die sehnsuchtsvolle Erwartung der Zärtlichkeit und süßen Annäherung war aus ihrem Herz gewichen. Sie erkannte die Liebe als Zweckverbindung der Gesellschaft verkommen. Manche Nächte hatte sie in ihrem Zimmer wach gelegen, wohlbehütet von starken Mauern, einer Schar Knechte und Mägde, einer eher giftigen Amme, Nanini, umsorgt von Lehrern und Propheten.
Sie hatte mit ihren suchenden Augen Strukturen an die dunkle Zimmerdecke gemalt, die manchmal vom fahlen Mondlicht durch die offenen Fenster ein wenig erhellt wurden. Ihre Fr a ge galt nach Clarice Orsini, der Gemahlin von Lorenzo Il Magnifico. Die schöne Römerin war von ihrem Gemahl in ihre Landvilla Caffagiolo verbannt worden, wo sie ein Leben lang gegen die kahlen Mauern starren und ihr Dasein in trostloser Langeweile fristen musste .
‘Die Liebe in der verordneten Ehe ist tot, nur die in Liebe entbrannten Gatten wissen ihr Leben zu bestehen. Wie glücklich wäre ich, in Leidenschaft geliebt zu werden. Wie würdelos betr o gen sich gekaufte Gatten.’ Das und genau das war es gewesen, was nicht der Sinn und Zweck in ihrer eigenen Ehe sein konnte. Das Schicksal wies ihr einen anderen Weg. In manch nächtl i cher Stunde war ihr die grässliche Fratze ihres bruta len Vergewaltigers als von ihr B esitz ergre i fender Dämon erschienen, der sich gierig auf ihren Körper gestürzt und seine Lust an ihr b e friedigt hatte. Von ihren
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