Galileis Freundin (German Edition)
eigenen Empfindungen hatte er nicht die geringste Notiz genommen. Die geheimsten Träume ihres jungen Lebens hatte er mit seiner Gier in einem einzigen Moment vernichtet.
Die Dichter beklagten zuhauf den Sittenverfall, den Hochmut, den Geiz und den Neid der Florentiner. Wie Dokumente ihrer eigenen Erlebnisse, empfand sie die Klagen der Poeten und Künstler. Da strebten die Kaufleute, Adligen und Kirchenfürsten nach Einfluss , rücksichtslos und sittenlos die Macht gegenüber den Schwächeren nutzend. Die aber, die Schwachen und Abhängigen, ergaben sich duldsam dem Missbrauch der Starken und Brutalen. Priester und Mönche wetterten über Ehebruch und Sodomie von der Kanzel, klagten Fürsten und Mächtige namentlich an. Doch manch einer dieser strengen Prediger wandelte seine Gesinnung mit leichtem Lächeln, wenn ihm selbst ein feiner Profit zu winken schien.
„Unsere Stadt ist mehr als von Liebe und Glauben, von jedweder Art des Betruges erfüllt."
S o ließ Boccaccio seine Filomena wettern, und Dante beklagte bitter und zynisch die "wohl regierte Stadt"
Die alte Witwe Elsa del Buondelmonti war nicht bereit, sich selbst die Wahrheit einzugestehen. Ihre Sippschaft hatte sich durch Lug und Trug, durch Korruption, Intrigen und Unterdrückung den verbliebenen Lebenssaft aus den Rippen gesaugt. Das einstmals feurige und mutige Blut in den Adern der Vorfahren war in ihrem letzten Spross zu einem quälend, langsam fließenden Eiter verkommen.
Auf der Piazza Santa Trinita, gegenüber der mächtigsten und ältesten Florentiner Kirche, rund um die hohe Säule ‘delle Giustizia’ sammelten sich seit den frühen Morgenstunden die Bürger. Faulenzende Adlige und Handwerker, reiche Kaufleute und arme Bauern stellten sich, in Gru p pen schwatzend, ehrfurchtsvoll die Frage, ob die Braut mit diesem Schwindsüchtigen glücklich werden könnte. Taschendiebe hatten ihre hohe Zeit, Gaukler und Komödianten vertrieben den Wartenden die bangen Minuten. Huren schlichen aus dem ‘Paradiso dei Gatti’, dem Katzenp a radies, herbei, ihre Qualitäten den lüsternen Herren anpreisend.
Bei trockenem Wetter, wie an jenem Tag, stand ein übel riechender Dunst über den Straßen. Urin und Kot, von den in den frühen Morgenstunden aus den Fenstern gekippten Segette sammelten sich in den engen Gassen. Ab und an wurden auf Befehl des Granduca die Straßen von dem menschlichen Dreck befreit. Reiche Familien entflohen an heißen Tagen vor der G e fahr verpesteter Miasmen in ihre Sommerquartiere auf den Hügeln rund um Florenz.
Herolde zogen durch die Stadt, verkündeten Fanfaren gleich, neue Verordnungen der Bürge r schaft. Ausrufer von Familien beklagten trotz der Feierlichkeit der Hochzeit den Tod eines lieben Verwandten. In den engen Gassen der Stadt am Arno war ein Warenverkehr nicht mö g lich. Vornehme und Reiche ließen sich in Sänften durch das Gewühl der Menschen tragen. Junge Burschen übten sich im Wettkampf und schlugen mit Stangen und Holzschwertern au f einander ein, bis die Köpfe blutig waren.
Gegenüber dem Palast der Buondelmonti strömten die Menschen in die Kirche Santa Trinita. Zu groß war das Interesse an Herrscherhäusern, 'gefallenen' Mädchen und schlichtweg gesel l schaftlichen Ereignissen. In der Kirche fanden fromme Frauen, züchtige Mädchen aber auch betrunkene und neugierige Bettler und Taschendiebe, ehrenwerte Senatoren und niedere Huren Einlass . Sie waren gekommen, um in erster Linie die Braut zu betrachten. Prachtvolle Edelste i ne schmückten ihr Mieder, ließen dennoch einen Blick frei auf die jugendlich zart geformte Brust. Ihre Hohe Stirn zeugte von geistiger Kraft und ihre klaren Augen erwiderten herausfo r dernd jeden neugierigen Blick, der zu lange in ihrem Gesicht nach Wollust forschte. Der Schleier fasste nur teilweise die langen, blonden Haare. Ihr voller Mund sprach ohne Worte von Liebe und Leidenschaft. Neben ihr lieferte der schmächtige, kränkelnde Markgraf ein jamme r volles Bild einer kraftlosen Gestalt, die neben der stolzen Picchena einem dürren Holzstab glich.
So tuschelten die Gaffer über die wunderschöne Braut, deren Kind unter dem weit fallenden Kleid das hoheitliche Gesicht noch verschönert hatte. Die Florentiner waren es gewohnt, dass Mann und Frau dem Recht und dem Anspruch der Familie zu Genüge sein mussten . Nicht von Liebe und Sehnsucht sprach der Pöbel. Er fragte sich, welchem Zwecken und Diensten die Braut zu gehorchen hatte.
In der Kirche gab sich fromm
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