Galileis Freundin (German Edition)
Gatten nehmen. Einen Mann, der an Schwin d sucht leidet und dessen Lungen wohl nicht mehr lange ihren Dienst erfüllen werden. Dies, eh r würdiger Herr, ist für mich ein großes Leid. Ich achte den Kranken, ich verneige mich vor se i nem Leid. Doch, kann das der Grund sein, dass ich ihn zum Manne nehmen muss , um die Fam i lie Buondelmonti am Leben zu erhalten?
In dem Ehevertrag, den mein geehrter Vater mit der reichen Familie vereinbart hat, steht g e schrieben, dass ich den Herrn Buondelmonti mindestens viermal im Jahr zwecks Begattung in seinem Zimmer aufsuchen muss . Dafür nimmt mich die Familie in ihren Schutz auf. Dafür e r klärt sie von vornherein, mein Kind, das in mir wächst und das aus dem unglückseligen Übe r fall des Abtes Piero erwuchs, als ihr eigenes, rechtmäßiges Kind anzuerkennen. Dafür genieße ich den Schutz der mächtigen Buondelmonti. Mein Vater zahlt die Mitgift von 30.000 Skudi . Soviel scheine ich wert zu sein. Doch, edler und innig geliebter Freund, all dies, was ich nun werde genießen können, will ich gar nicht. Ich werde all diese Nutzen gar nicht haben wollen. Ich pfeife auf die Buondelmonti. Zum Teufel mit den Sitten und Gebräuchen einer florentin i schen, hoffärtigen Gesellschaft, die von Grund auf verkommen und dem Untergang geweiht ist. Mir würde es mehr als zu genüge sein, wenn ich mit dem Vermögen, das mir mein Vater de r einst hinterlassen wird, meinem Kind und mir ein rechtschaffenes Leben auf der Burg Picchena verbringen könnte.
Welcher Art sind die Interessen, in deren Sinne ich handeln muss ? Welcher Art sind die Me i nungen, Sitten und Gebräuche der Menschen, die ich befolgen muss ? Das, was ich in meinem Leben endlich haben will, das ist die Liebe. Nun weiß ich, dass ich die Liebe nicht bestellen kann. Jetzt aber werde ich in etwas hineingetrieben, von dem ich von vornherein die Ahnung habe, dass es das Gegenteil der Liebe sein wird.
Hat das Leben für mich keine Liebe?
Da ich weiß, dass es vielen Frauen so ergeht wie mir, frage ich, warum lassen die Menschen nicht zu, dass sich die Liebe ihr Recht erobert?
Gäbe es aber die Liebe nicht, hätten die Menschen ihr Recht auf das Leben verwirkt. Ohne die Liebe gibt es Krieg und Mord und Totschlag. Ohne die Liebe gibt es nur das Gegeneinander, den Kampf um die Macht und die Beherrschung der anderen. Ohne die Liebe ist das Leben traurig und leer.
Meine Mutter ist zu früh von mir gegangen. Sie hat mich sehr geliebt, wie mir mein Vater b e richtet. Mein Vater liebt mich. Wie ich aber sehe, ist seine Liebe begründet auf Politik und a n dauernde Familieninteressen.
Meine kommende Ehe wird lieblos sein. Die Schwestern meines zukünftigen Gatten und seine Mutter betrachten mich als willfährig Gebärende. Ihr Interesse ist allein die Zeugung und die Geburt eines Familienerben. Ich wage gar nicht daran zu denken, was geschehen würde, wenn ich nur Mädchen gebären würde. Ich bin in diesem Vertrag allein die Ware, die ausgehandelt wurde, so, wie es in Florenz und sicherlich auch anderswo Brauch und Sitte ist. Braucht man wegen der Sitten aber die Beteiligten nicht nach ihren Gefühlen zu fragen? Was der wahre Sinn solcher Verträge sein soll, ist mir uneinsichtig geblieben und kann niemals die Zustimmung meines Verstandes erhalten können.
Hochgelehrter Freund, ich erlebe die Welt durch das Glas meiner Empfindungen, meiner G e fühle, wie Ihr die Welt der Sterne durch Euer Fernrohr erlebt. Kann auch nur einer Eurer Fei n de den Zipfel einer Ahnung erfassen, welche bewegenden Momente Euer Herz berühren, wenn Ihr in dunkler Nacht auf dem Hügel Arcetri durch Euer Glas schaut und die Welt in neuen D i mensionen erkennt? Wenn Ihr die Tiefe der Finsternis durch Euer Fernrohr erhellt seht durch die im Glas größer gewordenen Lichtpunkte? Es mag Euch seltsam erscheinen, doch wenn ich an meinen mir zugeteilten Gemahl denke, erinnere ich mich der Angriffe der Kirche auf eure Forschungen.
Durch das große Leid meiner Vergewaltigung habe ich die Pflicht, ein Kind auszutragen, das ich nicht haben will. Durch das nicht in der Ehe gezeugte Kind bin ich für die Kirche schuldig geworden. Nicht nur das Kind wird mir zur Last gelegt. Das Vergehen des teuflischen Abtes wird mir ebenso angelastet. Welch satanisch konstruierter Kreislauf.
Kann ich an Euch, hoch gelehrter Herr, die Frage stellen, wie Ihr Eure Empfindungen im Za u me haltet, wenn die Inquisitoren der Dominikaner und der Jesuiten den Kreislauf der Erde um die
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