Galileis Freundin (German Edition)
besseres Dasein. Das wird Dir alle kommenden Schmerzen erleichtern.
Leb wohl, mein Kind. Ich liebe Dich mehr als mich selbst. Dein Vater."
Mit zitternden Händen legte sie den Brief auf den kleinen Tisch. Sie stützte ihre Ellbogen auf das glänzende Holz, hielt ihre Finger vor den fest geschlossenen Mund und schaute durch das Fenster in eine trostlose, unendlich Tiefe. Tränen der tiefen Trauer, der Einsamkeit und der Ratlosigkeit rannen ihr über die Wangen und nässten ihre Hände. Sie öffnete den Mund ein wenig, um tief Atem zu holen. Dann schloss sie die Augen fest und schluchzte wie ein kleines Mädchen. In diesem Moment war sie die kleine Caterina, die sich in der Ruhe der Burg Pi c chena stets so sehr auf die heile Rückkehr ihres Vaters gefreut hatte, die um ihn herumtollte und sich in seiner Nähe so absolut sicher und gefestigt gefühlt hatte. Sie würde diese Ankünfte ihres Vaters, die für sie zum Symbol ihrer festen Lebenshaltung geworden waren, nie wieder erleben. Wie hatte sie die Gespräche mit dem Landgrafen geliebt, selbst wenn sie völlig anderer Meinung waren. Wie hatte sie es geliebt, wenn sie durch den duftenden Wald spazieren gega n gen waren, und der große Politiker ihr die Wirren des Lebens darlegte und über alle Verbr e chen der Welt gespr ochen hatte. Wenn er bescheiden seine Möglichkeiten erklärte, für die Florentiner und die Toskaner das Leben einigermaßen erträglich zu gestalten. Die lebendigen Gespräche, die ruhende Sicherheit und letztlich der liebevolle Beistand und die grenzenlose Liebe, alles, was ihr Vater ihr bedeutet hatte, war mit dieser einen grausamen Nachricht dahin.
Wie eine dunkle, drohende Wolke umhüllte ein schwarzer Mantel ihre Sinne. Die Einsamkeit, kalt und nass , ergriff ihren Körper, Verzweiflung ihre trauernde Seele. Sie schien in tödlichen Kerkermauern in eine unendliche Tiefe zu stürzen. Ihren geschüttelten Kopf auf den Händen stützend, weinte sie viele lange Minuten.
Pest von 1630
„Pest in der Lombardei“ berichteten gleich mehrere geheime Boten und Kuriere nach Florenz in die Zentrale an der Piazza Santa Trinita. Bevor die Mehrzahl der Bürger über diese schrec k liche Nachricht in Florenz disputieren konnte , entschieden die Herrscher im Palazzo Buo n delmonti Bedeutendes. Die Schnelligkeit der Entschlussfindung , gepaart mit der Sicherheit im Handeln, entschied über Leben oder Tod, über Siechtum oder Gesundheit. Die nackte Sorge um das Überleben, die grässliche Angst vor den grauenvollen Vorkommnissen der großen Pest vor dreihundert Jahren und ihrer immer wiederkehrenden Todesschwadronen , bestimmte das Handeln.
Man musste sofort raus aufs Land. Mutter Elsa und die Schwestern Laudomia und Ginevra sorgten sich um ihren kranken Hüter der Fortpflanzung, Lorenzo, den eine zusätzliche Infekt i on unweigerlich dahinraffen würde.
Die unerträgliche Enge der Stadt Florenz, der dichte Menschenverkehr, der Dreck in den Ga s sen und Straßen, der Kot und die stinkenden Abwässer, in denen sich die Ratten suhlten, waren die prächtigste Brutstätte für die Pestflöhe. Doch ahnte man von diesem Träger der unheiml i chen Seuche noch nichts. Die strikte Isolierung der von der Pest Befallenen galt als einziger Schutz gegen die Seuche. Ratten und Flöhe blieben weiterhin die Lebensgesellen der Me n schen.
Als gefährlichster Feind wütete erneut das Gerücht. Üble Nachreden wuchsen und hielten sich auch an Orten, an denen kaum Menschen zusammenkamen. Schnell stellte es sich für die "Eingeweihten" heraus, wer für dieses Unglück verantwortlich war. Man zeigte auf die Zige u ner, Gaukler und vor allem auf die Juden. Niemand fragte, 'warum die Juden'? Niemand suchte nach der Wahrheit. Kaum jemand, der mit Vernunft und mit dem Verstand an die Erklärung einer solchen Katastrophe heranging.
Die Unkenntnis von schützenden Maßnahmen trug dazu bei, die Krankheit schnell zu verbre i ten. Die frommen Gläubigen flehten in allen Kirchen Gott um Verschonung. Sie drängten sich dicht an dicht unter den hohen Gewölben der Kathedralen. Priester wetterten von den Kanzeln über die Sünden der Menschen, mahnten reuige Buße und hohe Opfergaben an.
"Wie ich euch sehe, lebt ihr in Saus und Braus“, der Mönch hob seine polternde Stimme an, und seine runde Nase leuchtete in der Morgensonne, die durch die Fenster der Kirche Santa Trinita fiel. „Ihr habt zuviel zum Essen, ihr lebt nicht von dem einfachen Fleisch des Schweins , von
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