Garan - Der Ewige
Umherschwirrende grüne Motten spendeten nur wenig Licht und schienen sich an den Eindringling zu heften.
Die Ana lief voran, und er folgte ihr eine steile Rampe hinunter in die Tiefe. Die weichen Sohlen seiner Stiefel verursachten keinerlei Geräusch. In regelmäßigen Abständen tauchten längs der Wand Nischen auf, in denen kleine Statuen standen, und über jeder dieser grotesken Figuren schwebte eine Krone grüner Motten.
Die Ana blieb stehen, die großen Fächerohren ausgebreitet, damit ihr auch nicht der leiseste Laut entging. Von irgendwo unter der Erde tönte das Heulen eines wütenden Hundes herauf.
Die abwärtsführende Rampe wurde immer schmaler und steiler. Und immer lauter wurde auch das unheimliche Geheul des Hundes. Dann tauchte unvermittelt ein Gitter aus schwarzem Stein vor ihm auf und versperrte ihnen den Weg. Garin sah durch die Steinstäbe eine Treppe, die in eine Grube hinabführte. Aus der Grube schallte höhnisches Gelächter herauf.
Dort unten liefen Geschöpfe hin und her, die von Dämonen hätten erschaffen sein können: schlanke, haarlose, rattenartige Wesen, so groß wie Ponys. Roter Speichel tropfte aus ihren mit scharfen Fängen versehenen Mäulern. Aber in ihren Augen, die dann und wann zu dem Steingitter emporsahen, lag Intelligenz. Das waren die Morgels, die Wachhunde und Sklaven der Finsteren.
Von einer zweiten Treppe, direkt gegenüber auf der anderen Seite der Grube, kam ein Ruf. Eine Tür öffnete sich, und zwei Männer kamen die Stufen herunter. Die Morgels stürzten vor, wichen aber sofort wieder zurück, als eine Peitsche über ihre Köpfe sauste.
Die Herren der Morgels waren in ihrer Erscheinung menschlich. Sie trugen schwarze Lendentücher, und von ihren Schultern hingen lange, weite Capes. Ihr Haar wurde verdeckt von Stoffkappen mit einem zackigen Kranz, der einem Hahnenkamm nicht unähnlich war. Soweit Garin sehen konnte, waren sie unbewaffnet, abgesehen von ihren Peitschen.
Eine weitere Gruppe kam die Treppe herunter. Zwischen zwei Finsteren wehrte sich verzweifelt ein Gefangener. Er wurde zum Rand der Grube gezerrt, und erst dort blieben seine Wärter stehen. Die Morgels drängten sich näher und starrten gierig auf ihre wahrscheinliche Beute.
Die Wachen blickten auf zu zwei Gestalten, die fünf Stufen über ihnen standen, und warteten auf neue Anweisungen. Eine dieser beiden Gestalten war ein Mann ihrer Rasse, mit schlankem, wohlgeformtem Körper und kaltem Gesichtsausdruck. Seine Hand ruhte besitzergreifend auf dem Arm seiner Begleiterin.
Es war Thrala, die neben ihm stand, mit stolz erhobenem Kopf. Das glückliche Lächeln war von ihren Lippen geschwunden; jetzt war nur noch Trauer und Resignation in ihrem Gesicht zu sehen – aber ihr ungebrochener Mut brannte einer weißen Flamme gleich in ihren Augen.
»Sieh her!« befahl ihr Begleiter. »Hält Kepta nicht seine Versprechen? Sollen wir Dandtan den Fängen unserer Sklaven überlassen, oder wirst du deine letzten Worte zurücknehmen, Lady Thrala?«
Der Gefangene antwortete an Thralas Stelle: »Kepta, Sohn der Niedertracht, Thrala ist dir nicht bestimmt! Denke daran, Geliebte!« wandte er sich nun direkt an die Tochter. »Der Tag der Befreiung ist nahe!«
Eine plötzliche Leere erfüllte Garin, als er hörte, mit welcher Ungezwungenheit der Gefangene Thrala »Geliebte« nannte.
»Ich warte auf Thralas Antwort«, entgegnete Kepta.
Und er bekam ihre Antwort.
»Bestie unter Bestien, magst du auch Dandtan in den Tod schicken, magst du mich mit Beleidigungen und Bösem überhäufen – ich sage dennoch, du darfst die Tochter nicht berühren. Eher durchtrenne ich den Lebensfaden mit meinen eigenen Händen und nehme die Strafe der Älteren auf mich.« Sie blickte zu dem Gefangenen hinunter. »Dir, Dandtan, sage ich Lebewohl. Wir werden uns jenseits des Vorhangs der Zeit wiedersehen.«
Sie streckte ihm ihre Hände entgegen.
»Thrala, meine Liebe!«
Einer seiner Wärter schlug ihm mit der Hand über den Mund und brachte ihn so zum Schweigen.
Aber jetzt blickte Thrala an ihm vorbei, geradewegs auf das steinerne Gitter, das Garin verbarg.
Kepta zog an ihrem Arm, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. »Sieh her, so sterben meine Feinde! In die Grube mit ihm!«
Die Wärter zwangen ihren Gefangenen an den äußeren Rand der Grube, und die Morgels krochen noch näher, die Augen starr auf ihre Beute gerichtet. Garin wußte, daß er sich hier nicht einmischen durfte. Die Ana zog ihn nach rechts. Dort war ein offener
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