Garantiert wechselhaft
breiten Eingangstür des Gasthofs, aber die war fest verschlossen. «Hoffentlich ist diese Nachbarin da, mit der du telefoniert hast.»
Das hoffte ich auch, aber das Haus nebenan machte einen völlig verlassenen Eindruck. Die Jalousien waren zu, und hinter den Scheiben in der Eingangstür war kein Licht zu sehen.
«Wir klingeln einfach», sagte ich und linste auf das Türschild. G. Hopf. Das war schon mal richtig. Ich drückte mehrmals auf die Klingel.
«Ich hab Eisbeine», jammerte Marie. «Sag ihr, sie soll sich beeilen!»
«Beeilen Sie sich», sagte ich streng zu der geschlossenen Tür. Nichts tat sich.
«Hat nicht funktioniert, jetzt bist du dran.»
Marie sah mich ungläubig an.
«Komm, wir schauen mal hinter dem Haus nach, vielleicht ist sie dort zugange.»
«Vielleicht ist sie aber auch nach Timbuktu verreist, und wir erfrieren heute Nacht im Auto.»
«Genau», sagte ich. «Immer positiv denken. Hüpf mal ein bisschen, dann wird dir gleich wieder warm.»
Widerwillig kam meine Tochter in die Gänge, und wir schlichen dicht hintereinander durch eine schmale Einfahrt. Marie rasselte fast in mich hinein, als ich mitten auf dem dunklen Hof stehen blieb und lauschte. Stille.
«Immerhin brennt in der Küche Licht», flüsterte ich. «Das lässt man nicht an, wenn man nach Timbuktu reist.»
«Sehr witzig», bibberte Marie.
Da rumpelte es im Schuppen, und wir sahen den Schein einer Taschenlampe darin herumgeistern. Ich gab Marie ein Zeichen und wir schlichen auf die Schuppentür zu.
«Warum schleichen wir eigentlich so?», flüsterte Marie.
In diesem Moment schwang die Tür auf, eine kleine Gestalt kam heraus und leuchtete meiner Tochter mit ihrer Taschenlampe voll ins Gesicht.
«A Gspenst!», schrie sie. «A Gspenst!» Und ließ einen großen Korb mit Holzscheiten auf meinen Fuß fallen.
«Waaah!» Zu zweit kreischten wir noch einen Zacken lauter.
«Mann, seid ihr peinlich», sagte Marie.
Kurz darauf saßen wir bei Frau Hopf in einer Küche, die aussah, als wäre sie einem Fünfziger-Jahre-Katalog entsprungen: hellgelbe und babyblaue Resopalflächen, wohin das Auge schaute, und hinten an der Wand prangte ein klobiges Küchenbuffet mit Aufsatz und gerundeten Glastüren. Alles leicht abgenutzt, aber perfekt in Schuss und blitzeblank.
«Da habt’s ihr mich ganz schön derschreckt», wiederholte die alte Frau, während sie das Holz neben dem Kachelofen aufschichtete. «Aber ich versteh dich scho.» Sie tätschelte Marie am Arm. «Hast deinen alten Onkel wohl recht gern g’mocht, hm?»
«Wie bitte?» Meine Tochter, die Möbel aus der Zeit des Wirtschaftswunders megageil fand und sich im Paradies wähnte, sah Frau Hopf verständnislos an.
«No, ich mein den alten Hubbert. Weilst ganz in Schwarz gehst», sagte die alte Frau. «Des kommt bei die jungen Leut hier nur noch ganz selten vor.»
«Das ist äh …» Keine Trauerkleidung, wollte ich schon sagen, aber ich verschluckte den Satz und warf Marie einen warnenden Blick zu. Warum sollten wir Frau Hopf über eine Modeströmung aufklären, die nie ihren Weg nach Wiestal finden und für die sie sicher keinerlei Verständnis aufbringen würde?
«Das … hätte ich nicht gedacht», stammelte ich stattdessen. «Man glaubt ja immer, dass, äh, bestimmte Traditionen gerade auf dem Land noch gepflegt werden.»
Frau Hopf machte eine lässige Handbewegung. «Des glaub’n bloß die Großstädder», sagte sie. «Der Einzige, der hier a bissel in Schwarz rumrennt, ist der Mario. Der nennt des Goddigg oder so. Na, mir egal. Soll jeder so glücklich wern, wie er meint.»
Ich versuchte, nicht ganz so blöd aus der Wäsche zu schauen, und nahm mir vor, mein persönliches Vorurteil-Archiv demnächst gründlich auszumisten.
Aber Frau Hopf zwang mich, sofort damit anzufangen: Sie knöpfte den unförmigen Mantel auf und zog sich das schwarze Tuch vom Kopf. Darunter kamen nicht, wie von mir erwartet, Kittelschürze und Duttfrisur zum Vorschein, sondern eine flott gekleidete Alte mit schlohweißen, kurzen Haaren.
Ich schluckte. Höchste Zeit, das gesamte Archiv durch den Schredder zu jagen, Nina.
Frau Hopf schien von alledem nichts zu merken. «Ich däd euch ja gern noch an Dee machen, aber ich werr gleich von meinem Bruder abg’holt. Mir besuchen mei Kusine, und wenn ich da so ankomm …», sie zupfte an ihrer modisch bunt gemusterten Strickjacke, «… muss ich mir die ganze Zeit anhör’n, dass mer in meinem Alder Beisch drächt.»
«So ’n Quatsch», meldete
Weitere Kostenlose Bücher