Garantiert wechselhaft
sich Marie zu Wort.
«Des mein ich aber auch.» Frau Hopf verdrehte die Augen. «Beee-isch … in dere Fabb möched ich ned amol beerdigt werr’n!»
«Wir wollten auch nur den Schlüssel holen», sagte ich. «Ist im Gasthof alles in Ordnung?»
«Die Heizung is aus, aber Strom und Wasser gibt’s», sagte Frau Hopf. Sie kramte in einem großen Korb neben dem Kachelofen und legte uns ein paar alte Zeitungen und eine Schachtel Streichhölzer auf den Tisch. «Holz müsst in der Küche sein.» Dann nahm sie einen großen, alten Eisenschlüssel vom Haken neben der Tür und legte ihn vor mir auf den Tisch.
Marie und ich strahlten uns an.
Endlich waren wir richtige Hausbesitzerinnen!
«Coole Alte», sagte Marie, während ich versuchte, die Haustür des Gasthofs aufzusperren. «Und voll tolerant.»
«Ja, da kann man sich ’ne Scheibe von abschneiden.»
Vor allem eine gewisse Nina L., die bisher der Meinung gewesen war, dass Vorurteile in ihrem Leben so viel verloren hatten wie Heringe in der Sachertorte.
Endlich ließ sich der Schlüssel ein weiteres Mal drehen, und ich drückte die wuchtige Tür auf, die vor vielen Jahren einmal blau gewesen war.
Ich tastete nach dem Lichtschalter, und im nächsten Moment tauchte eine alte Funzel den gekachelten Flur in trübes Licht.
«Da wären wir!»
Obwohl seit meinem letzten Besuch fast vierzig Jahre vergangen waren, löste schon der Geruch hier im Eingang eine ganze Flut von Erinnerungen in mir aus: Ich hörte Stimmengewirr und tiefes Männergelächter, die Glocke, die gedrückt wurde, wenn das bestellte Essen fertig war. Ich sah das Sonnenlicht, das durch die geöffnete Tür am anderen Ende des Flurs aus dem Garten hereinfiel, ich schmeckte –
«He, willst du hier übernachten?» Maries Stimme riss mich aus meinen Gedanken. «Mir ist eisekalt, und wenn ich nicht bald vorm warmen Ofen sitze, schrei ich ganz laut.»
«Praktisch. Dann würden wir auf einen Schlag alle Nachbarn kennenlernen.» Ich stellte unser Gepäck in den Flur und öffnete die Butzenscheibentür zur Wirtsstube.
Auch hier war alles so, wie ich es in Erinnerung hatte: Auf den Abschlussleisten der hohen Holzvertäfelung standen Bierkrüge und Zinnteller, über den allerdings jetzt nicht mehr blankgescheuerten Holztischen hingen altmodische Lampen, und auf dem Stammtisch, direkt neben dem Tresen, thronte ein überdimensionaler Aschenbecher mit Glocke.
«Wenn uns das Holz ausgeht, können wir eine ganze Weile mit Tischen heizen», stellte Marie fest. «Und wohin jetzt?»
«Hier lang.» Ich schob sie an der Theke vorbei. «Jetzt machen wir es uns erst mal in der Küche gemütlich.»
Für alle, die mit dem Begriff gemütlich einen vollgestopften Raum verbinden, war Huberts Küche saugemütlich. Überall stapelten sich volle und angebrochene Lebensmittelpackungen, und das alte Küchenbuffet, dessen Türen wegen Überfüllung halb offen standen, sah aus, als würde es insgesamt bald die Grätsche machen.
«Onkel Hubert scheint ja ein total emanzipierter Typ gewesen zu sein.» Marie zeigte auf ein besticktes Tuch an der Wand:
Wo der Mann steht am Herd, ist im Hause nichts verkehrt.
«Und gegen Ende ziemlich verwirrt», sagte ich, als ich sah, dass Müsli und Katzentrockenfutter in einer Plastikbox zusammenstanden. «Hoffentlich hat er das nicht gemischt.»
«Gestorben ist er sicher nicht daran», brummte meine Tochter und schob auf der Suche nach Brennholz zwei verstaubte Stapel mit Frau im Spiegel und Das neue Blatt zur Seite.
«Wie bitte?» Ich sah sie verblüfft an.
«Die Inhaltsstoffe sind natürlich unter aller … ah, da ist es ja.» Sie zog eine große Kiste mit Holzscheiten unter der Eckbank hervor.
«Du bist echt gut», sagte ich erfreut. «Jetzt werfe ich die Küchenhexe an und dann wird es gleich richtig kuschelig.»
«Küchenhexe?» Marie beäugte den alten Küchenherd interessiert.
«Ja», sagte ich. «Uralt, aber praktisch. Damit kann man heizen und kochen.»
«Erst mal heizen!», sagte Marie. «Und zwar schnell.»
Im Prinzip ging ihr Wunsch in Erfüllung, aber der Herd, der wohl länger nicht in Betrieb gewesen war, rauchte und qualmte derart, dass uns nichts anderes übrig blieb, als Fenster und Tür aufzureißen und in die kalte Gaststube zu fliehen.
Ich lehnte mich erschöpft auf die Theke. Allmählich machten sich die Strapazen des Tages bemerkbar.
Marie ging neben mir in die Hocke und untersuchte die Getränkevorräte. «Möchtest du auch was trinken?», fragte
Weitere Kostenlose Bücher