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Gargantua Und Pantagruel

Gargantua Und Pantagruel

Titel: Gargantua Und Pantagruel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francois Rabelais
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Zumittelst war eine wunderbare Schneckentrepp, auf welche man von außen herein durch einen sechs Klafter breiten Bogen passiert', und der war von solchem Umfang und Ebenmaß, daß sechs Reisige die Speer in den Hüften, bis auf das Dach des ganzen Hauses nebeneinander hinaufreiten konnten. Zwischen den Türmen Anatole und Mesembrine waren schöne geräumige Galerien mit lauter alten Heldentaten, Historien und Erdbeschreibungen gemalt. Zumittelst war eben ein solches Tor und Stieg wie auf der Wasserseiten gemeldet worden, und über dem Tor mit großen alten Lettern geschrieben was folget:

Siebenundvierzigstes Kapitel
Aufschrift des großen Tors zu Thelem
Entweicht von hier, bigottes Heuchlerpack,
Ihr kahlen Bäuche, schweinisch vollgepreßt,
Verlognes Volk, das seinen Bettelsack
Im Namen falscher Götzen füllen läßt.
Heimliche Sünder, geile Kuttenschleicher,
Der Kirche sehr devote Rossetäuscher,
Du fahler Heerbann aller Lüge, weiche!
Hier ist kein Ort für fromme Lumpenstreiche!
Der Falschheit Klumpfuß schändet unsre Fluren,
Wir singen nicht mit Buben und mit Huren!
     
Entweicht von hier, die ihr den letzten Knopf
Dem Ärmsten feig und wucherisch geraubt,
In deren Bettsack, Kasten, Strumpf und Topf
Das Gold, das angebetete, verstaubt,
Und die doch nie genug gehamstert haben,
Und würd' man sie auch ganz in Gold begraben.
Schert euch zum Teufel oder schachert weiter:
Herr Urian heizt schon für euch die Scheiter.
Weit fort mit euch, gierige Tiergesichter,
In Thelem ist kein Platz für euch Gelichter.
     
Ihr aber tretet ein und seid gegrüßt,
Ihr, die ihr edel seid an Leib und Geist.
Hier ist der Ort, wo jeden Tag versüßt
Mit tausend Wonnen sich das Leben weist
Für jeden, der in ritterliche Minne
Gleich mir erhebt die Herzen und die Sinne,
Der froh und stolz bei Scherz und Heldentaten:
Kurz, für den wahren treuen Kameraden!
Hier wollen wir den schönsten Orden weihen
Und kein Gemeiner tret' in seine Reihen!
     
Und dann, ihr hohen Damen, kommt auch ihr,
Ergreift die Hand, die froh die eure drückt,
Seid der Gemeinschaft holde Blumenzier,
Seid schön und stolz, seid weise und beglückt!
Dies ist das Tor zu reinen Seligkeiten,
Für euch ließ ich Palast und Flur sich breiten,
Den Wünschen, die aus Frauenherzen steigen,
Verdank' ich Thelem: euch drum sei's zu eigen.
So nehmt, was wir euch frohen Mutes schenken,
Und dankt es uns durch freundliches Gedenken.
     

Achtundvierzigstes Kapitel
Wie die Wohnung der Thelemiten war
    Inmitten des Hofs war ein herrlicher Brunnen von schönem Alabasterstein; darauf standen die drei Grazien mit den Hörnern des Überflusses und gaben das Wasser aus Brüsten, Ohren, Mund, Augen und andern Öffnungen des Leibes von sich. Der innere Bau des Hauses über dem Hofe stund auf mächtigen Pfeilern von Achat und Porphyr mit schönen antikischen Bögen, innerhalb welcher schöne lange, geräumige Galerien waren, verziert mit Schildereien, mit Hörnern vom Hirsch, Rhinozeros, Einhorn, Flußpferd, mit Elefantenzähnen und andern Merkwürdigkeiten. Das Frauenquartier ging vom Turm Arktike bis zum Tor Mesembrine; im übrigen wohnten die Männer. Vor dem gedachten Frauenquartier, zu ihrer Augenweide, waren zwischen den beiden ersten Türmen außerhalb die Übungsplän, der Reitplan, das Theater, die Schwimmplätz nebst den prächtigen dreistöckigen Bädern, wohl versehen mit allem Bedarf, und mit Myrrhenwasser die Hüll und Füll. Auf der Flußseit war der schöne Lustgarten, und mitten darin das artige Labyrinth gelegen. Zumittelst der beiden andern Türm das Ballspiel. Dem Turm Kryere gegenüber war der Fruchtgarten voller Obstbäum angepflanzet, hinter demselben das große Geheg von allen Arten Gewildes wimmelnd. Zwischen den dritten Türmen war der Schießstand für Bogen, Büchs und Armbrust. Küchen und Kellerei vor dem Turm Hesperie, dahinter der Marstall. Vor den Küchen die Falknerei von kunsterfahrnen Falkonieren versehen, und ward alljährlich von den Kandiern, Sarmaten und Venetianern versorgt mit allen Sorten Mustervögeln, Adlern, Falken, Sperbern, Habichten und andern, so wohl dressiert und abgericht, daß sie, wann sie zur Last vom Schloß ins Feld ausflogen, auf alles stießen, was ihnen vorkam. Die Jägerei lag ein wenig weiter nach dem Gehege zu.
    Alle Zimmer, Säl und Gemächer waren nach den Jahreszeiten verschiedentlich tapeziert, die Böden alle mit grünem Tuch bedeckt, die Betten von Stickerei.
    In jeder Hinterkammer hing ein kristallener Spiegel in feines

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