Garnet Lacey 04 - Biss in alle Ewigkeit
Antwort interessiert. „Und was für eine Sprache war das?“
„Zigeunersprache“, antwortete er.
„Du sprichst die Sprache der Zigeuner?“
„Zigeuner gilt heutzutage eigentlich nicht mehr als höfliche Bezeichnung“, ließ Sebastian mich wissen. Schon witzig, war er doch normalerweise derjenige, der von mir darauf aufmerksam gemacht werden musste, dass er wieder mal irgendeinen überholten und politisch gar nicht korrekten Begriff benutzt hatte. „Aber davon abgesehen beherrsche ich die Sprache tatsächlich. Teréza und ich waren lange zusammen. Ihr Vater bestand darauf, dass ich die Sprache lerne, nachdem er herausgefunden hatte, dass sie von mir ein Kind erwartete.“
Ich wartete darauf, dass er weiterredete. Obwohl Sebastian fast tausend Jahre alt war, sprach er nur ganz selten einmal über die Vergangenheit. Meine Vermutung war, dass er am besten mit dem Verlust von so vielen geliebten Menschen und der Summe aller begangenen Fehler zurechtkam, wenn er sich so stark wie möglich auf die Gegenwart konzentrierte.
Ich legte eine Hand auf meinen Bauch und spürte unter meinen Fingern Liliths elektrisches Summen. SIE schlief nicht mehr so in mir, wie SIE es früher getan hatte. Seitdem SIE sich mit mir vereint hatte, um Kojote, einen diebischen Gott, zu besiegen, sprach Liliths ganzes Wesen auf eine viel bewusstere Art zu mir. Ich selbst war nicht mehr nur menschlich, sondern zu einer Halbgöttin geworden, und es war durchaus möglich, dass ich ebenfalls tausend Jahre alt werden würde.
Wie das wohl sein musste, wenn alle Freunde um einen herum starben und man am Ende ganz allein dastand? Ich schüttelte den Kopf, um diese Ängste zu vertreiben, die meine Gedanken zu überrennen drohten. Immerhin hatte ich ja gerade erst damit angefangen, die Tatsache zu verarbeiten, dass sich seit der Vereinigung mit Lilith meine magischen Fähigkeiten vervierfacht hatten ... und die Tatsache, dass mir viel eher als bisher der Geduldsfaden riss. Ich hatte schon jetzt genug Probleme, da musste ich nicht auch noch wegen der Zukunft ausrasten.
Wenigstens bedeutete die neue Sichtweise für mein Leben, dass ich mich in Sebastian hineinversetzen konnte. Mit Teréza verband ihn - gemessen an seinem Alter - keine lange, dafür
aber eine sehr intensive gemeinsame Vergangenheit. Es wäre ja schön gewesen, wenn er die Zeit mit ihr als etwas betrachtet hätte, das eben nur in dieser Vergangenheit lag und für die
Gegenwart keine Bedeutung mehr hatte, aber ich wusste ganz genau, das würde wohl nie der Fall sein. Ich drückte noch einmal mitfühlend seinen Oberschenkel.
„Vorhin im Restaurant“, begann ich. „Wie hast du Teréza dazu gebracht, dass sie den Laden verlässt? Und was meinst du, wo sie hin ist?“
„Das war ein Zauber, der sie zurück in ihr Grab schicken soll.“
„So was kannst du?“
„Sie hat mein Blut, sie ist ein Teil von mir.“
Und noch etwas, worüber ich mir keine Gedanken gemacht hatte. Klar kannte ich die Geschichte, doch ich hatte nicht über die Folgen der Tatsache nachgedacht, dass Teréza bloß durch Sebastians magielastiges Blut davon abgehalten wurde, in ihrem Grab zu bleiben. „Dann besitzt du also eine Art Blutmacht über sie?“
Mein Ex Parrish, der einzige traditionelle Vampir, mit dem ich halbwegs nennenswerten Kontakt hatte, erzählte immer ganz ehrfürchtig von seiner Schöpferin. Sie besaß eine Macht
über ihn, die mit jener Manipulationsfähigkeit vergleichbar war, mit der Vampire andere Menschen zu schlichtweg allem überredeten - nur zehnmal stärker.
Sebastian zuckte mit den Schultern. „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht, aber vermutlich wird jeder Zauber, den ich wirke, einen spürbaren Effekt auf ihr magisches Blut ausüben. Schließlich bin ich im Grunde genommen ihr Schöpfer. Auf jeden Fall hat’s wohl funktioniert.“
Ich nickte. Das Ganze ergab einen Sinn. „Okay, dann hat sie sich also auf den Rückweg in ihr Grab gemacht. Bloß ... in welches?“
So wie ich das verstanden hatte, war Teréza nämlich einige Male unter die Erde gebracht worden. Bevor der Papst sie mit seinem Exorzismus geweckt hatte, war Sebastian der Ansicht gewesen, dass Teréza in einem Grab besser aufgehoben war. Mátyás dagegen hatte gefunden, dass sie auf die Weise lebendig begraben worden war. Als Sebastian dann in den Besitz ihrer Leiche kam, ließ er sie in einem Grab beisetzen, aber kaum kam sein Sohn dahinter, spielte er Grabräuber und „befreite“ ihren Leichnam.
Das Ganze war
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