Garnet Lacey 04 - Biss in alle Ewigkeit
schließlich. „Wir müssen auf jeden Fall noch etwas zu Abend essen.“ Ich schob meine Hand in Sebastians Armbeuge. „Irgendeine Idee?“, fragte ich ihn.
Er lächelte mich an, obwohl sein Mund grimmig verzogen war. Ich konnte ihm anmerken, dass er noch immer über Teréza nachdachte. Sein Blick wanderte forschend in alle Ecken des kleinen Hofes, als rechnete er jeden Moment mit einem neuerlichen Angriff.
„Gehen wir nach Hause“, sagte er, womit er sein Bauernhaus außerhalb der Stadt meinte. „Dort sind wir durch die Schutzbanne in Sicherheit.“
Nur ... da war auch Mátyás.
Mátyás, Sebastians einhundertfünfzig Jahre alter Sohn, war auf magische Weise ein ewiger Teenager. Von ihm hatte ich meinen Eltern auch noch kein Wort erzählt. „Klar“, meinte ich beiläufig. „Warum nicht?“
Warum auch nicht? Schlimmer konnte dieser Abend wohl kaum noch werden.
Glücklicherweise fuhren wir in getrennten Wagen. Meine Eltern folgten in ihrem rostigen Truck Sebastians neuem zweitürigen ’68er Javelin.
Zwar behielt Sebastian den Rückspiegel im Auge, aber er fuhr mit normaler Geschwindigkeit und achtete nicht weiter darauf, ob sich meine Eltern auch wirklich immer noch hinter uns befanden. Ich war davon überzeugt, dass wir sie irgendwo unterwegs verlieren würden, doch Sebastian versicherte mir, der auf seinen Wunsch kirschrot lackierte Wagen sei auffällig genug.
Nach kurzem Schweigen fragte ich schließlich: „Sollte Teréza nicht eigentlich ... na, du weißt schon ... tot sein?“
Er biss sich auf die Unterlippe. „Das hatte ich auch gedacht.“
„Und dabei hat Mátyás vom Papst einen Exorzismus vornehmen lassen“, fiel mir ein. Mátyás und ich hatten uns zögerlich angefreundet, als Sebastian vor ein paar Monaten eine Weile als vermisst gegolten hatte. „Er hat mir gesagt, es hätte funktioniert.“
Sebastian schnaubte ungläubig. „Ein Exorzismus? Das ist ja großartig.“ Er hielt das Lenkrad so fest umfasst, dass die Knöchel weiß hervortraten.
„Du wirkst so verärgert“, sagte ich, als klar war, dass er von sich aus nicht weiterreden wollte. „Stimmt was nicht?“
„Zum Exorzismus greift man, wenn man es mit dem Teufel zu tun hat oder mit einem Dämon oder einem bösen Geist“, gab er zurück. „Aber nicht, wenn’s um Magie geht.“
Zum zweiten Mal innerhalb von ein paar Stunden kam ich mir wie ein Volltrottel vor. Ich hätte wissen müssen, wieso er so sauer war. Jedes Mal, wenn ein Wicca-Anhänger sich gegenüber einer nicht magischen Person outete, musste er üblicherweise erst einmal erklären, dass Hexerei nichts mit dem Satan oder mit dem Bösen oder mit irgendetwas anderem aus dieser Gattung zu tun hatte. Kein Wunder, dass es Sebastian störte, wenn er hörte, dass ein Exorzismus anscheinend irgendwelche positiven Resultate hervorgebracht hatte. Oft genug hatte er mir davon erzählt, wie entsetzlich es für ihn war, dass sein alchemistisch umgewandeltes Blut nicht ausgereicht hatte, um Teréza zu wandeln. Aber dass seine spezielle Art von Vampirismus tatsächlich etwas mit Satan persönlich zu tun haben könnte? Ja, ich konnte mir vorstellen, dass das Sebastian wie ein Wirklichkeit gewordener Albtraum vorkommen musste.
„Das bedeutet, dass sie recht haben, was mich angeht, Garnet.“
„Bedeutet es nicht“, widersprach ich. Sebastian war in einer abergläubischen Zeit vor der österreichisch-ungarischen Donaumonarchie in einem entlegenen Winkel des Reichs aufgewachsen. Zur Welt gekommen war er an Weihnachten, was als besonders großes Unglück galt, weil es bedeutete, dass seine Eltern in der gleichen Nacht Unzucht getrieben hatten, in der Maria vom Erzengel Gabriel die große Neuigkeit geflüstert bekommen hatte. Warum das zu irgendeinem Zeitpunkt nach Christi Geburt für ein Unglück gehalten wurde, war mir nie so richtig klar geworden. Ich wusste nur, dass es Sebastian etwas bedeutete. Genau genommen wurde er davon verfolgt, weil ihm sein Leben lang von den Leuten vorgehalten worden war, er sei schmutzig, böse, korrupt... und verflucht. Dass er sich mit allen schwarzen Künsten beschäftigt hatte, lag zum Teil auch daran, dass die Leute das von ihm erwartet hatten.
Als er wieder schwieg, fragte ich: „Das weißt du doch, oder?“
Ein nichtssagender Grunzlaut war seine ganze Antwort.
Ich legte meine Hand auf sein Knie und drückte es sanft. Die Sonne war längst untergegangen, es war kurz nach sieben. Die Armaturenbrettbeleuchtung beschien seine wütende
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