Garou
taten eine Menge absurder Dinge. Frühjahrsputz, Rache und Diäten. Kein Grund, arglos dem Garou in den Rachen zu laufen. Das wäre geradezu ...
»Verrückt«, murmelte Madouc. »Ich mach's!«
Die kleine Ziege sprang unter den Tannen hervor, und ehe die Schafe zu einem Warnblöken ansetzen konnten, war sie zwischen den Baumstämmen verschwunden, klein, schwarz, lebendig - und entschlossen.
»Wenn du dir wünschst, dass etwas passiert, dann musst du dafür sorgen, dass es passiert«, murmelte das Winterlamm und nagte nachdenklich an einem Wurzelstück.
In diesem Moment schnellte seitlich von ihnen etwas Rotes zwischen den Stämmen hindurch.
»Der Garou!«, blökte Ramses panisch.
Erst als sie alle schon in lang gestrecktem Galopp durch den Wald jagten, wurde ihnen klar, dass es wahrscheinlich doch nur ein Fuchs gewesen war. Nur? Der Fuchs hatte groß ausgesehen, spitz und gefährlich, selbstbewusst und spöttisch zwischen den Bäumen. Ein Waldtier. Ein Wildtier. Im Wald waren die Dinge anders als auf der Weide, selbst bekannte Dinge. Fremder. Größer. Abgründiger.
Auch wenn die Schafe nicht wirklich Angst vor dem Fuchs hatten - zumindest nicht im Nachhinein -, kam ihnen Flucht wie eine gute Idee vor. Schließlich musste es noch ein anderes Raubtier im Wald geben. Ein Raubtier, dem keines von ihnen begegnen wollte.
Othello führte sie in halsbrecherischem Tempo durch einen kleinen Buchenhain, einen Hang hinauf und einen Hang hinunter, vorbei an einem Holzhäuschen, das ziegenartig auf einer sehr alten Eiche saß, immer geradeaus. Schnee staubte, Zweige peitschten, und Vögel flogen auf. Niemand beklagte sich. Sie hatten das ungute Gefühl, dass ihnen etwas auf der Spur war. Etwas Großes.
Irgendwann versperrte ihnen ein Bach den Weg. Kein besonders großer Bach, aber doch zu breit für einen Schafssprung und zu steil und scharf und eisig rauschend für eine vorsichtigere, kletternde Durchquerung. Der Bach gefiel ihnen nicht. Er sperrte sie ein wie ein Zaun. Aber zurück - wo hinter jedem Stamm der Garou lauern konnte?
Othello lauschte einen Moment. Maude witterte. Mopple schnaufte. Ritchfield sah so aus, als hätte er gerade etwas vergessen.
Dann ging es weiter, am Bach entlang, mit fliegenden Hufen und flatternden Ohren, bis zu einer Brücke. Nun ja, es war keine richtige Brücke, nur ein schmaler Steg, etwa zwei Huf breit. Aber auf dem Steg lag Schnee, frischer, pudriger, flauschiger Schnee. Kein Reh hatte ihn heute überquert, kein Mensch - und bestimmt kein Wolf.
Othello prüfte ihre kleine Brücke vorsichtig. Sie schien stabil und Vertrauen erweckend, aber unter dem Schnee lauerte eine tückische, dünne Eisschicht. Der schwarze Widder setzte vorsichtig einen Huf auf den Steg, rutschte fast ab und versuchte es noch einmal, sachter und bestimmter. Er schnaubte zufrieden. Dann war er schon hinüber und witterte wieder nach allen Seiten. Zora kam als Nächste, elegant und beiläufig, als würde sie über eine Sommerwiese traben. Heide folgte mit spitzen, kühnen Schritten, Lane und Cordelia schnell und behutsam. Die ganze Herde hielt den Atem an, als Miss Maple strauchelte, abrutschte und sich im letzten Moment mit einem Sprung ans andere Ufer rettete.
Mopple schaffte es bis auf die Mitte der Brücke, dann blieb er stehen.
»Ich, ich... ich kann nicht weiter«, japste Mopple und kniff die Augen zu.
»Du kannst weiter«, sagte Cordelia beruhigend. »Es sind nur noch ein paar Schritte.«
»Ich kann nichts sehen«, ächzte Mopple.
»Natürlich kannst du nichts sehen, wenn du die Augen zumachst«, sagte Zora. »Mach die Augen wieder auf«
»Ich kann nicht!« Mopple zitterte und schwankte bedenklich.
Etwas im Wald knackte.
»Komm!«, lockten Cordelia, Lane und Zora.
»Ist das Süßkraut?«, fragte Miss Maple von weiter hinten. »Mitten im Winter! Kaum zu glauben!«
Im nächsten Moment war Mopple über den Steg getrabt und steuerte mit glänzenden Augen auf Maple zu.
»Süßkraut?«, blökte er. »Wirklich?«
»Nein«, sagte Maple. »Nicht wirklich.«
Mopple ließ die Ohren hängen.
Sir Ritchfield meisterte die Brücke mit Bravour, jeder Zoll ein Leitwidder.
Maude zögerte und zauderte, aber schließlich schaffte sie es doch.
Auch das Winterlamm blieb in der Mitte der Brücke stehen.
»Komm!«, lockten Lane, Cordelia und Zora wieder. »Es ist nicht mehr weit! Du hast es bald geschafft!«
»Ich weiß«, sagte das Winterlamm. Und stand. Und hielt den Kopf hoch. Und sah sie mit funkelnden Augen
Weitere Kostenlose Bücher