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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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Zigarette. »Wenn ich es gar nicht glauben würde, wäre ich nicht gut darin. Und wenn ich es zu sehr glauben würde, wäre ich auch nicht gut darin. Es ist ein Zwischending.«
    Die Schafe waren verwirrt: beim Wahrsagen schien es eben nicht darum zu gehen, was war - und schon gar nicht darum, was wahr war. Eher darum, was sonst noch so alles passieren könnte. Rebecca hatte ihre Landkarte »Wohin?« gefragt, und die Karte hatte mehr oder weniger zuverlässig geantwortet. Mama fragte ihre Karten »Was?«, und die Karten antworteten Dinge. Nicht Dinge, die passiert waren, sondern Dinge, die erst passieren würden. Mamas Karten waren eine Art Landkarte für die Zukunft!
    »Das sind die Karten, die du fressen musst!«, raunte Cordelia Mopple zu.
    Mopple nickte pflichtbewusst.
    Dann stand schon der nächste Mensch erwartungsfroh am Weidezaun, und Rebecca verschwand mit wehendem Schal Richtung Schloss, um in der Schlossbibliothek heimlich hinter dem Rücken der Schafe ein Buch zu lesen. Die Schafe hatten sie längst durchschaut.
    Der nächste Mensch war der Gärtner. Ausgerechnet der Gärtner! Der Gärtner war ihr natürlicher Feind. Er bewachte den Apfelgarten und die Brombeerhecken, die Erbsenpflanzen und den Gemüsegarten. Er bewachte alles, was schmeckte. Die Ziegen behaupteten sogar, dass er ein Haus hatte, in dem immer Sommer war, und dort zog er angeblich heimlich Salat.
    Die Schafe beobachteten seinen Weg über die Weide mit Unbehagen. Alles an ihm war bleich, und nichts an ihm war hell. Er kam den Schafen wie eine Rübe vor, die in der Erde wuchs - eine ungenießbare, bleiche Rübe, und er blickte zu oft zu Boden. Sie waren froh, als er endlich mit Mamas zweitem Gesicht im Schäferwagen verschwunden war.
    Die Schafe versuchten, sich zu entspannen. Othello focht mit Sir Ritchfield ein Spielduell, Lane wetzte sich an einem Pfosten, Cloud wollte, und Mopple fraß. Das Winterlamm probierte Namen aus, Linton und Hannibal und Summerfield - aber keiner der Namen passte.
     
    Irgendwann kam Hortense mit den beiden Kindern durch das Hoftor. Hortense war oft mit den zwei Kindern unterwegs, obwohl es gar nicht ihre eigenen Jungmenschen waren.
    Die Kinder spielten im Niemandsland zwischen Hoftor und Weide. Zuerst spielten sie Verstecken, und dann, als das langweilig wurde, weil es zwischen Weidezaun und Hoftor nur zwei Versteckmöglichkeiten gab, einen Busch und einen Brunnen, spielten sie Zach. Sie schlichen herum, untersuchten den Boden und sprachen mit ihrem Handgelenk.
    Hortense fröstelte. Blickte nach links, blickte nach rechts, als würde sie auf jemanden warten.
    Weder Hortense noch die Kinder fürchteten sich vor dem Silber.
    Die Kinder begannen, sich mit Schneebällen zu bewerfen. Es war ein wenig unfair, weil Jean viel besser zielen konnte. Dann fand der kleine Jules einen runden Stein und steckte ihn in die Tasche.
    Hortense fröstelte noch mehr, lehnte sich gegen den Zaun und schielte heimlich Richtung Schäferwagen. Ein großer dunkler Schatten erschien im Hoftor und sah ihr ein wenig beim Frösteln zu: Malonchot.
    Jules kam auch an den Zaun und wollte Hortenses Hand halten. Aber Hortense machte scheuchende Bewegungen. Auf einmal hatte Jules den Stein wieder aus der Tasche geholt und schleuderte ihn auf die Schafweide. Er traf Mopple an der Flanke. Mopple blökte erschrocken und flüchtete hinter den Schäferwagen. Auch Jules sah erschrocken aus.
    »Warum macht er das?«, blökte Cloud.
    »Ich weiß nicht«, sagte Lane.
    An Jules' überraschtem Gesicht konnte man sehen, dass er selbst nicht wusste, warum er den Stein geworfen hatte. Die Schafe zogen sich weiter vom Weidezaun zurück, ein wenig betreten. Auf Mopples Flanke saß ein kleiner Schmerz - und niemand auf der ganzen Welt wusste, warum.
    Der ältere der beiden Jungmenschen quakte und warf einen Schneeball, aber der jüngere quakte nicht zurück, sondern sah weiter aufmerksam und ein wenig staunend die Schafe an. Er ließ sich auf alle Viere nieder, kroch herum, wühlte im Schnee und rupfte Gras. Manchmal blökte er sogar - dünn und schief und unprofessionell. Jean schien das zu gefallen. Schon war auch er auf allen Vieren und steckte wie sein kleiner Bruder die Nase in den Schnee.
    »Ich glaube, sie grasen«, sagte Cordelia anerkennend.
    Die Schafe sahen den Jungmenschen wohlwollend zu. Es war immer schön, Menschen bei vernünftigen Tätigkeiten zu beobachten. Schön und selten.
    »Warum fressen sie das Gras nicht?«, fragte Mopple. Der wichtigste

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