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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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hat sie hier...«
    Die Ziege verstummte.
    »Ja?«, fragte Miss Maple ungeduldig.
    »Nichts«, sagte die Ziege. »Gar nichts.«
    »Aber sie sprechen doch!«, blökte Maple.
    »Ich höre nichts«, murmelte Amaltee und trottete davon, zurück zum Ziegenzaun. Hortense machte eine weite Handbewegung, über die ganze Schafweide, und schauderte und sprach und sprach, so lange, bis Jules, der seine unerfahrenen Graseversuche längst aufgegeben hatte, wieder zu ihr hinüberrannte und einen Zweig mit einem kleinen, klaren Eiszapfen mitbrachte. Hortense hörte auf zu sprechen, ging in die Hocke und umarmte Jules.
    Die dicke Fronsac kam aus dem Hoftor und wartete in einiger Entfernung, bis sich Malonchot von Hortense verabschiedet hatte. Dann gingen die beiden Frauen auf den Schäferwagen zu, ohne ein Wort. Die Schafe vermuteten, dass Hortense so etwas wie die Übersetzerziege der Fronsac war. Daran konnte man sehen, dass der Fronsac die Sache wichtig war.
    Als Mama die Tür des Schäferwagens öffnete, um den Gärtner heraus- und Hortense und das Walross hereinzulassen, entkamen nicht nur aromatische Rauchschwaden aus dem Schäferwagen. Die Schafe sahen auch ein Papierding, das kurz durch die Luft flatterte und dann im kalten Schnee kleben blieb.
    Die Schafe setzten sich neugierig in Bewegung. Anders als die Landkarte war diese Karte nicht gemustert. Sie war kleiner, härter und glänzender und zeigte ein Bild.
    »Ein Mensch, der vom Baum fällt!«, blökte Sir Ritchfield selbstbewusst. Ritchfield hatte noch immer die besten Augen der Herde, daran gab es keinen Zweifel. Im nächsten Moment war die Karte schon zwischen Mopples Zähnen verschwunden. Mopple kaute pflichtbewusst, schluckte und kaute zur Sicherheit noch mal.
    Gespannt warteten die Schafe darauf, was nun passieren würde.
     

10
     
    Hinter ihr kam der Fuchs. Er war groß geworden, so groß, dass er auf sie herabsehen konnte, und seine Augen glühten grün durch den Wald und verschwammen. Mal lief er auf vier Beinen, mal auf zweien und immer hinter ihr her.
    Madouc schlug Haken. Der Fuchs lief einfach durch die Stämme hindurch. Er hatte gerade ihr Geisterzicklein gefressen - schon wieder! -, dann ihren Schatten, und jetzt würde er sie fressen.
    Madouc wusste, dass etwas an der ganzen Sache nicht stimmte. Sie hatte noch nie Baumstämme gesehen, die sich bogen wie Gras und mit Zweigfingern nach ihr fassten. Vielleicht war sie endgültig verrückt geworden, vielleicht war aber auch das Wolfspulver schuld, das ihr in der Hütte in die Nase gestaubt war.
    Andererseits... andererseits war ganz zweifellos jemand hinter ihr her.
    Madouc bremste und strauchelte. Der Boden vor ihr schlug Wellen wie eine durchgedrehte Pfütze. Sie warf einen schnellen Blick zurück und sah Hände und das Blitzen eines Messers und Rot, aber es war kein Fuchsrot. Der Wald war so still.
    Dann hörte sie auf einmal etwas. Ein Röhren und Scheppern. Das Röhren war gut. Madouc nahm all ihre Kraft zusammen und schüttelte sich den Nebel aus dem Kopf. Der Boden glättete sich wieder, und Madouc galoppierte los.
    Sie erreichte die Straße gerade, als das Auto vorbeifuhr, ein großes Transportauto. Die Ladeklappe hinten hatte sich gerade gelöst, schleifte klappernd am Boden und ließ das Auto langsamer werden.
    In diesem Moment hatte Madouc eine Idee. Eine Idee, die sich auf angenehme Art verrückt anfühlte. So schnell sie konnte, galoppierte Madouc hinter dem Auto her.
     
    »Es liegt an der Kälte!«, sagte Sir Ritchfield. »Kälte ist schlecht für den Kopf.«
    »Zu wenig Futter«, stöhnte Mopple the Whale. »Zu wenig Futter kann einen verrückt machen.«
    »Die Ziegen sind schuld«, sagte Cloud entschieden.
    Ein kalter Wind wehte, die Vögel saßen fett und trotzig in den Zweigen, und alle Dinge warfen lange, dürre Schatten. Die Schafe hatten sich unter der alten Eiche versammelt und starrten schockiert hinauf ins Geäst.
    »Komm zurück!«, blökten sie. »Schafe klettern nicht auf Bäume!«
    »Eben«, dachte das Winterlamm. »Wenn ich auf einen Baum klettere, bin ich kein Schaf mehr!«
    Das Winterlamm wollte kein Schaf mehr sein. Schweigend kletterte es weiter, mit vorsichtig gespreizten Hufen den Stamm der alten Eiche hinauf.
    Eigentlich war es gar nicht besonders schwierig. Der Stamm der Eiche war zur Seite geneigt, beinahe waagrecht, ein gemütlicher, breiter Pfad Richtung Himmel. Jedes entschlossene Schaf hätte es dort ein Stück hinauf geschafft.
    Aber Schafe klettern nicht auf

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