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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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der Rücken und alles dazwischen. Zwischen den Ohren tat es weh, im Vorderbein und im linken Hinterhuf. Jeder Schritt tat weh und natürlich jede Berührung. Bei dem Gedanken, sich einfach wie früher zwischen den anderen Schafen hindurchzudrängen, unter ihnen weg, Richtung Heu, wurde ihm schwarz vor den Augen.
    Nicht jetzt. Er brauchte kein Heu. Er war mit weniger Milch ausgekommen als jedes andere Lamm, er konnte von matschigem Wintergras leben, so lange er wollte.
    Heathcliff keilte trotzig nach hinten aus und wartete mit unbekümmertem Gesicht, bis die Schmerzen wieder abgeklungen waren. Die anderen durften nichts merken.
    Niemand durfte etwas merken. Er war ein Schaf wie alle anderen, nicht schwächer, nicht langsamer. Niemand, der zurückbleiben würde, wenn die Herde vor einem Raubtier floh. Keine leichte Beute.
     
    Auf dem Rückweg von der Heuraufe entdeckte Rebecca das Silber - und erschrak.
    Die Schafe erschraken auch. Rebecca - der Garou?
    »Na, so was«, sagte Rebecca. »Und dabei pass ich so auf.«
    Sie stapfte hinüber zum Haselstrauch und zupfte das Papier vom Zweig. Zuerst waren die Schafe nur erleichtert. Die Schäferin schien sich doch nicht vor dem Silberpapier zu fürchten! Aber dann! Rebecca trug ihr Silber mit spitzen Fingern hinüber zu dem Abfalleimer, der am Weidezaun angebracht war - draußen, auf der weideabgewandten Seite. Der Deckel des Abfalleimers klappte zu, und die Schäferin klopfte sich zufrieden ihre Hände am Mantel ab.
    »Nicht auszudenken, wenn ihr das gefressen hättet«, sagte sie zu den Schafen.
    Die Schafe sahen Rebecca frustriert an. Natürlich hätten sie das Werwolfsilber nicht gefressen - für wie dumm hielt sie Rebecca eigentlich? Aber wie sollte es ihnen jetzt, in den Tiefen des Abfalleimers, den Garou verraten?
    Sie guckten vorwurfsvoll zum Schäferwagen, wo die Schäferin - noch immer blendend gelaunt - in andere Schuhe schlüpfte, den roten Schal über die Schulter warf und dann Richtung Weidetor stapfte.
    »Denkt ihr, ich habe die Sache mit den Klamotten vergessen?«, fragte sie. »Habe ich nicht!«
    Die Schafe konnten es kaum glauben. Während sie hier Yves versteckten und den Garou jagten, hatte ihre Schäferin nichts als Klamotten im Kopf »Wir müssen das Silber wieder aus dem Eimer holen!«, blökte Mopple. Er mochte das Silber. Er hatte es gefunden und war ein bisschen stolz darauf. Außerdem hatte er schon länger einmal einen Blick in den Abfalleimer werfen wollen. Wenn er sich recht erinnerte, hatte Hortense erst vor kurzem einen halben Apfel hineingeworfen, der dem kleinen Jules in den Schnee gefallen war.
    Sobald Rebecca durch das Hoftor verschwunden war, trabte die Herde zum Weidezaun. Die Sache war verzwickt. Der Abfalleimer war zwar verlockend nah, aber außen am Zaun angebracht, und es gab einen schweren Deckel aus Metall. Die Schafe versuchten, sich wie die Ziegen über den Zaun zu lehnen - ohne viel Erfolg.
    »So geht es nicht«, sagte Othello. »Einer von uns muss nach draußen.« Er überlegte einen Augenblick.
    »Ich mach's«, sagte er dann.
    Othello versuchte erst, über den Zaun zu springen, aber im tiefen Schnee war es unmöglich, vernünftig Anlauf zu nehmen.
    »Ich gehe über die Ziegenweide«, sagte er schließlich.
    »Und wenn die Ziegen das nicht wollen?«, blökte Heide.
    »Mir ist egal, was die Ziegen wollen!«, sagte Othello und war schon unterwegs zum Ziegenzaun.
    Glücklicherweise waren die Ziegen gerade wieder in eines ihrer seltsamen Rituale vertieft und viel zu beschäftigt, um überhaupt irgendetwas zu wollen. Sie standen um die Kommode herum, in einer Art Kreis, und beachteten Othello, der durch die lose Latte im Zaun geschlüpft war, kein bisschen. Ab und zu meckerte eine von ihnen. Die Sache schien wichtig zu sein. Dann wichen auf einmal die meisten Ziegen von der Kommode zurück - bis auf zwei. Diese zwei richteten sich auf die Hinterbeine auf und knallten mit ihren Hörnern zusammen.
    Othello wand sich wieder durch den losen Draht und stand am Waldrand. Nun musste er die Ziegenweide von außen umrunden.
    Die Schafe sahen beunruhigt zu, wie ihr Leitwidder zu einem kleinen schwarzen Punkt am anderen Ende der Ziegenweide wurde. Doch dann begann Othello wieder zu wachsen, und endlich stand er erneut in Lebensgröße bei seiner Herde - nur auf der falschen Seite des Zauns. Oder der richtigen. Je nachdem.
    Othello drückte mühelos den Deckel nach oben, richtete sich auf die Hinterbeine auf und wühlte, die Vorderbeine gegen

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