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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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nun rund, weiß und gut sichtbar mitten im Raum stand und versuchte, etwas von einem Stoffding abzubeißen. Es lag auf einem Holzding, und daraufstand ein Steinding. Das Stoffding war zäh, und Mopple zerrte. Je mehr Mopple zerrte, desto näher wanderte das Steinding an den Rand des Holzdings.
    Othello galoppierte los, über lautlose Teppiche.
    Mopple sah Othello kommen und versuchte, mit einem letzten energischen Ruck doch noch ein Stück von dem Stoffding abzubeißen. Das Steinding sprang vom Holzding und zerschellte mit viel Lärm auf dem Steinboden - dem einzigen Stück Steinboden weit und breit. Das Stoffding sprang hinterher und wickelte sich rachsüchtig um Mopple the Whale.
    Mopple wand sich und schnaubte und kickte, bis er den Stoff wieder abgeschüttelt hatte. In der Tür zum Nebenraum tauchte der Kopf des Hähers auf. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich von blankem Unglauben zu so etwas wie Ärger - er war ganz offensichtlich nicht erfreut darüber, zwei Schafe und ein kaputtes Steinding zu sehen.
    Mopple und Othello blickten ertappt zurück.
    »Was ist?«, fragte Rebecca.
    »Nichts«, sagte der Häher. »Nur der Wind...«
    Mehr hörten Othello und Mopple nicht. Sie rannten, über Stein und Holz und Samt und Seide, vorbei an vielen alten Dingen - wie der Wind.
     
    Als die erste Empörung verraucht war, schmiegte sich die Herde dicht um Maple herum.
    »Du hast alles geträumt«, blökte Cloud. »Kein Wunder, dass du Angst hattest!«
    Die anderen summten beruhigend.
    Maple schwieg. Hatte sie wirklich alles geträumt? Das Mondschaf - sicher. Das Mondschaf kam nie vom Himmel herab. Aber der Garou? Und die tote Schafherde, von der Hortense erzählt hatte? Maple hätte diese Schafherde so gerne geträumt.
    Aber das Mondschaf hatte ausgesehen wie der ungeschorene Fremde. Und der Ungeschorene war echt. Jeder konnte ihn sehen. Der Ungeschorene unterhielt sich mit Schafen. Aube und Tourbe und Päquerette. Schafen, die nicht mehr da waren. Wo waren diese Schafe?
    »Was ist mit dem fremden Widder?«, fragte Miss Maple. »Was ist mit seinen Schafen? Wo sind sie?«
    »Er spinnt!«, blökte Ramses. »Er ist zu lange allein gewesen, und jetzt spinnt er!«
    Die anderen blökten zustimmend.
    »Und warum?«, fragte Miss Maple. »Warum ist ein Schaf allein? Was muss passieren, damit ein Schaf alleine ist?« Etwas Schreckliches, so viel war klar.
    »Ihr müsst mir glauben!«, blökte Maple aufgebracht. »Ihr müsst mir glauben, ob ihr wollt oder nicht!«
    »Natürlich wollen wir!«, sagte Cloud ernst.
    Dann begannen die Schafe, sich zu fürchten, erst alle zusammen, dann jedes für sich.
     
    Mopple und Othello standen wieder zwischen dem Krokodil und dem Wildschwein.
    Und nur wenige Schritte entfernt bewegte sich die Fronsac und machte sich mit einem Federwedel an dem Nilpferd zu schaffen. Die beiden Widder atmeten flach und versuchten, wie die anderen Tiere hier auszusehen. Unbeweglich. Glasäugig. Dingsartig.
    Während die Fronsac wedelte und Staub um das Nilpferd tanzte, wand sich ein schreckliches Gefühl in Othellos Hörner. Das Gefühl, dass die Tiere doch echt waren - nur tot. Das Einzige, was an ihnen falsch war, waren ihre Augen. Und dass sie hier waren. Warum? Warum wollte jemand tote Tiere in seinem Schloss? Was machten sie hier? Othello stellte sich den Häher vor, wie er durch die Reihen schritt und Gipsgesichter verteilte. Natur! Freiheit! Von wegen! Der Häher war nicht begeistert davon gewesen, dass zwei Schafe durch sein Schloss trabten und Stoffdinge probierten, so viel war klar. Trotzdem hatte er Rebecca nichts verraten. Warum nicht? Weil er nicht wollte, dass sie nach draußen ging und sie zählte. Rebecca sollte hierbleiben. Warum? Was passierte dort draußen, was Rebecca nicht sehen durfte?
    Die Fronsac schien mit dem Nilpferd zufrieden zu sein. Sie öffnete eine Glastür - ein Wunder aus echter, schneeiger Luft umwehte die beiden Widder - und wedelte ihren Staub nach draußen.
    Draußen war... draußen eben! Die Welt! Die richtige Welt mit lebenden Tieren. Sie wollten nach draußen!
    In diesem Moment hörten sie wieder das Heulen, klar und einsam und kalt wie die Sterne. Die Fronsac ließ ihren Wedel fallen, faltete ihre Hände vor der Brust und murmelte etwas. Dann hob sie seufzend ihren Wedel wieder auf und begann, das Krokodil zu kitzeln. Das Krokodil mit seinen starren Glasaugen hielt still. Mit einer ungewöhnlichen Portion Kühnheit raste Mopple an der Fronsac vorbei, durch die Tür nach

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