Garp und wie er die Welt sah
Klasse A gewohnt,
doch mein Vater musste sehr viel häufiger Unterkünfte der Klassen B und C
inspizieren. Die B- und C-Hotels (und die Pensionen) waren die Häuser, die die
Touristen am meisten interessierten. Bei den Restaurants hatten wir etwas mehr
Glück. Die Leute, die sich die wirklich guten Häuser nicht leisten konnten,
legten dennoch Wert darauf, in den besten Häusern zu essen.
»Ich gebe mich nicht als
Versuchskaninchen für zweifelhaftes Essen her«, erklärte Johanna. »Diese
merkwürdige Beschäftigung mag euch Spaß machen, weil ihr sie als Gratisurlaub
auffasst. Aber ich sehe, welchen Preis man dafür zahlt: die Angst, nicht zu
wissen, was für eine Sorte Nachtquartier man haben wird. Die Amerikaner mögen
es entzückend finden, dass es bei uns immer noch Zimmer ohne eigenes Bad und WC gibt, aber ich bin eine alte Frau und alles andere
als entzückt, wenn ich einen Hotelkorridor entlangirren muss, um mich zu
waschen und mich zu erleichtern. Und Angst ist nur das eine. Man kann sich
sonst was holen – und nicht nur vom Essen. Wenn das Bett keinen guten Eindruck
macht, verspreche ich euch, dass ich nicht darin schlafen werde. Und die Kinder
sind klein und leicht zu beeindrucken; ihr solltet an die Klientel in einigen
dieser Absteigen denken und euch ernstlich über deren schlechten Einfluss
Gedanken machen.« Meine Eltern nickten beide; sie sagten nichts. »Fahr
langsamer!«, fuhr Großmutter mich an. »Du bist nur ein Halbstarker, der angeben
will.« Ich fuhr langsamer.
[198] »Wien«, seufzte
Großmutter. »In Wien habe ich immer im Ambassador gewohnt.«
»Johanna, das Ambassador ist
außerhalb der Wertung«, sagte Vater.
»Das will ich meinen«, sagte
Johanna. »Muss ich daraus schließen, dass wir kein einziges Mal in einem
Klasse-A-Hotel schlafen werden?«
»Na ja, es ist eine
B-Reise«, räumte mein Vater ein. »Jedenfalls zum größten Teil.«
»Ich hoffe«, sagte
Großmutter, »du willst damit sagen, dass dennoch ein A-Haus auf unserer Route
liegt.«
»Nein«, gestand Vater. »Ein
C-Haus.«
»Das ist in Ordnung«, sagte
Robo. »In Kategorie C gibt es wenigstens immer Streit.«
»Das kann ich mir denken«,
sagte Johanna.
»Es ist eine Pension – sehr
klein«, sagte Vater, als ob die Größe des Hauses alles wettmachte.
»Und sie bewerben sich um
ein B«, sagte Mutter.
»Aber es hat ein paar
Beschwerden gegeben«, fügte ich hinzu.
»Kann ich mir denken«, sagte
Johanna.
»Und Tiere«, fügte ich
hinzu. Meine Mutter warf mir einen strengen Blick zu.
»Tiere?«, fragte Johanna.
»Tiere«, sagte ich.
»Mögliche Hinweise auf
Tiere«, korrigierte mich meine Mutter.
»Ja, du musst schon fair
sein«, sagte mein Vater.
»Entzückend!«, sagte
Großmutter. »Tiere! Haare auf den Teppichen! Exkremente in den Ecken! Wisst ihr [199] denn nicht, dass ich in jedem Zimmer, in dem kurz vorher eine Katze gewesen
ist, einen Asthmaanfall kriege?«
»Bei der Beschwerde ging es
nicht um Katzen«, sagte ich. Meine Mutter stieß mich heftig mit dem Ellbogen.
»Hunde?«, fragte Johanna.
»Tollwütige Hunde! Die einen beißen, wenn man zum Bad will.«
»Nein«, sagte ich. »Keine
Hunde.«
»Bären!«, rief Robo.
Aber meine Mutter sagte:
»Das mit dem Bären wissen wir nicht genau, Robo.«
»Das ist doch ausgeschlossen«,
sagte Johanna.
»Natürlich ist es
ausgeschlossen!«, sagte Vater. »Wie könnte es in einer Pension Bären geben?«
»Es stand in einem Brief«,
sagte ich. »Das Fremdenverkehrsamt nahm natürlich an, es sei die Beschwerde
eines Verrückten. Aber dann schrieb noch jemand, in der Pension sei ein Bär
gewesen.«
Mein Vater warf mir durch
den Rückspiegel einen finsteren Blick zu, aber ich fand, wenn wir die Pension
schon alle inspizieren sollten, war es besser, meine Großmutter vorzuwarnen.
»Wahrscheinlich ist es kein
richtiger Bär«, sagte Robo spürbar enttäuscht.
»Ein Mann in einem
Bärenkostüm!«, rief Johanna. »Was ist das für eine unerhörte Perversion? Eine
Bestie von Mann, der verkleidet herumschleicht! Warum macht jemand so etwas? Es
ist ein Mann in einem Bärenkostüm, ich weiß es«, sagte sie. »Dahin möchte ich
zuerst. Wenn es auf dieser Tour eine C-Strapaze gibt, wollen wir sie möglichst
schnell hinter uns bringen.«
[200] »Aber wir haben keine
Zimmer bestellt«, sagte Mutter.
»Ja, wir sollten ihnen die
Chance geben, so gut zu sein, wie sie können«, sagte Vater. Obwohl er nie
enthüllte, dass er für das Fremdenverkehrsamt tätig war,
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